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Ein Tiroler Gelöbnis

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Es Ist etwas Tröstliches, Zuversicht gewährendes, daß, soweit auch die Zerstörungen des Nationalsozialismus und des Krieges ins Ethische hineinreichen, die stärksten Basteien unseres österreichischen Volkstums doch erhalten geblieben sind. Wo das bäuerliche Wesen noch nicht einer üblen Verstädterung, dem Handelsgeist und dem Profithunger erlegen und wo es sich selber treu geblieben ist, dort bringt auch die jetzige Nachkriegszeit ein neues Blühen bodenständiger, christlich er Volksart hervor. Nicht als ob dies in Tirol allein wäre, sondern weil Tiroler Bauerntum immer als die typische Verkörperung vaterländischer Urkraft in Österreich galt und diese jetzt eben wieder manifestiert, sei hier von einer feierlichen Tiroler Bauernkundgebung gesprochen, die eben mehr ist als Versammlung und verklingende Rede, sondern Ausdruck einer Volksgesinnung, die unbefleckt und ungebeugt die große geistige Krise überstanden hat und mit demselben kraftvollen Stolze wie einst die Fahnen entrollt.

Der Tiroler Bauerntag, mit dem der vor 42 Jahren gegründete Tiroler Bauernbund kürzlich in Innsbruck wieder in aller Form seine Tradition aufnahm, würde zu wenig gewertet sein, wollte man seine Kundgebung nur von der berufständischen oder politischen Seite her betrachten. Schon der Aufruf, den Josef M u i g g, sein Obmann, zu seiner Einbegleitung veröffentlichte, zeigt dies an. Man muß auf diese Sprache horchen:

„Wie unsere Väter vor 150 Jahren, gestehen wir Tiroler auch heute die menschliche Ohnmacht in dieser schweren Zeit. Wie ein Spicl-balj fühlen wir uns inmitten der großen Zeitereignisse. Wir können uns nicht selbst helfen und finden auch keine Hilfe bei Menschen. Wer weiß, was sjdi alles entwickelt. Wer weiß, welch furditbare Zeit trotz des äußeren Friedens bevorstehen könnte. Ganz besonders aber zittern wir Tiroler um das Schicksal S ü d t i r o ls, das sich vielleicht in den nächsten Wochen und Monaten für immer entscheiden mag. Gelingt es uns diesmal nicht, Südtirol wieder zurückzubekommen, dann bleibt es wohl immer und für ewig verloren. Ohne Südtirol sind aber auch wir verloren. Mit Südtirol würde sich viel Dunkel der kommenden Jahre für die Heimat klären! Um so mehr klammern wir uns auch in dieser Frage an die Hilfe des göttlichen Bundes h errn. Wie unsere Vorfahren werden wir seinen Schutz anrufen und vertrauen auf die himmlische Hilfe.“

Auf diesen Grundakkord war dann die ganze folgende Tagung gestimmt. Inmitten der Vertreter der Bauernschaft aus dem ganzen Lande und mit deren Stimme und Willen sich vereinigend, erschienen die höchsten Würdenträger des Landes und der Hauptstadt, der Innsbrucker Universität und der Kirche; auch der 86jährige „Vater Haueis“, der langjährige Abgeordnete und Landwirtschaftsminister nach dem ersten Weltkriege, war unter ihnen. Dem Weihegottesdienst in der Hofkirche schloß an einer zweiten historischen Stätte, in der Hofburg, die Kundgebung an, in der der gewesene Abgeordnete Monsignore Doktor Franz Kolb, Univ.-Prof. Dr. Reut-Nicolussi und Obmann Muigg sprachen. Kennzeichnend das Maßhalten, die strenge Würde in diesen Reden, obgleich in ihnen das heiße Verlangen nach der Wiederherstellung der Landeseinheit, nach der Wiedervereinigung mit Deutsch-Südtiro! zittert.

Univ.-Prof. Reut-Nicolussi begann:

„In die Schwelle des Friedenspalastes im Haag, in dem der Völkergerichtshof seine Sitzungen hält, wurden in Marmormosaik die Worte eingelassen: „Sol iustttiae illustra nos“ — „Sonne der Gerechtigkeit, erleuchte uns“. Unter einer gnadenvollen Eingebung hat der große Menschenfreund Carnegie den Vertretern der Mächte ins Gewissen rufen wollen, daß der Friede der Welt auf sittlicher Grundlage ruhen muß. Kein Friede, so schien er sagen zu wollen, hat Bestand, außer die Völker sind zur Gerechtigkeit bereit und jedes andere Prinzip der Völkerordnung, namentlich jenes der Unterdrückung der Kleinen durch die Großen kann nur zu stets erneutem Elend, zu Haß und seinen Ausbrüchen, zu Aufruhr und Krieg führen. Viele große Denker haben erkannt und bekannt, daß nur die Gerechtigkeit den Frieden sichern könne. Auch für uns Tiroler sei dies der Ausweg aus dem Abgrunde, in den wir gestürzt sind. Zuerst aber sei eine eigene Gewissenserforschurig nötig: „Fordern wir wirklich, was uns gebührt oder begehren wir nach fremdem Gut? Ist es uns vielleicht nur darum zu tun, unsern eigenen Vorteil zu erraffen ohne Rücksicht darauf, ob ein fremdes Redit dadurch gekränkt wird? Wer Gerechtigkeit verlangt, muß auch selbst Gerechtigkeit üben “

Und wieder ist es der Aufstieg in die erhabenste Sphäre, wenn Univ.-Prof. Dr. Reut-Nicolussi seine Begründung der An-

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sprüche auf Deutsch-Südtirol mit den Worten beschließt:

„Großer Gott, prüfe du unsere Herzen, ob sie lauter, und unsere Hände, ob sie rein sind. Wenn wir aber nur nadr Freiheit und nidit nach Macht streben, wenn wir nur das Unsere begehren und nichts Fremdes, dann erleuchte die Männer, die über uns verfügen, daß sie an uns Gerechtigkeit wirken.“

Den Beschluß der Tagung bildete die Erneuerung des Tiroler Weihe-

g e I ö b a t s s c s, dem diesmal felerEch angefügt wurde: „Wir versprechen, nach der Wiederherstellung der Landeseinheit zu Ehren des göttlichen Bundesherrn und zum ewigen Gedächtnis an seine Hilfe in Bozen eine Kirche zu erbaue n.“

Man zeige uns in dieser Welt, die nach sieben Jahren Krieg noch immer von dem Lärm gefährlicher Streitigkeiten widerhallt, ein Volk, das seinen Rechtsanspruch auf uralten Heimatboden und ehrwürdige Pflanzstätten seiner Kultur in gleicher Weise adelt!

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