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HEINRICH PUTHON / EIN GENTLEMAN GEHT

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Die französische Höflichkeit des Geistes und der Manieren, die im 18. Jahrhundert ihre Vollkommenheit erlangte, aber in unseren Tagen durch demagogische Gewöhnlichkeiten fast zerstört ist, hat im Oesterreich des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts eine Heimstatt gefunden. Scharfe Augen sahen aber damals schon, wie eine heranrückende Schlachtordnung, noch vom Staub des Blachfelds verhüllt, den totalen Staat mit seinen kollektiven Organisationen. Die genormte Romantik und den Besichtigungsdrill moderner Pauschalreisen konnten auch sie freilich nicht vorausahnen, konnten auch nicht wissen, daß das gesellschaftliche Wachsen weit hinter dem politisch-konjunkturellen Zurückbleiben würde, daß der Ehrenkodex unserer Tage fast nur noch im unversehrten Lack unserer Automobile liegt.

Diese selten gewordene Höflichkeit ist noch verkörpert in Heinrich Puthon, dem Präsidenten der Salzburger Festspiele, der jetzt, nach 33jähriger Tätigkeit, hochverdient in den „Ruhestand” tritt. Aus den Anfängen des privaten Festspielvereines baute Puthon den würdigen und notwendigen Apparat auf, den die Festspiele brauchten, um zur Weltgeltung aufzusteigen. Es war ein fruchtbarer Bund, den die Initiatoren des Festspielgedankens damals, 1926, eingingen, als sie den Oberstleutnant a. D. an die Spitze der Repräsentanz und Administration beriefen. Diese Aufgabe, an der eine geringere Persönlichkeit gescheitert wäre, erforderte von dem lenkenden Kopf innere Souveränität, geistig-diplomatisches Feingefühl und Noblesse. Sie war dem Nachfahren eines alten französischen Adelsgeschlechtes, das 1724 nach Oesterreich einwanderte, angeboren. Am 17. Mai 1872 kam er in Graz zur Welt. Der Vater war Statthalter von Oberösterreich und Herrenhausmitglied, die Mutter eine Gräfin Bombelles. Nach Studien in Innsbruck schlug er die militärische Laufbahn ein, absolvierte die Neustädter Akademie und diente im k. u. k. Dragonerregiment Nr. 8. Der altösterreichische Offizier trug in sich ja mindestens ebensosehr die Verantwortung für seines Landes geistige Haltung wie für seine Verteidigung. Und darum sind Puthons Worte über seine Berufung zum Präsidenten der Festspiele typisch. „Der Antrag ehrte, aber überraschte mich. Ich hatte bis dahin mit Kunst nicht allzuviel zu tun. Aber ich war als Offizier gewohnt, auf dem Platz, wo man mich hinstellte, meine Pflicht zu erfüllen.”

Seitdem leitete er die repräsentativen, organisatorischen und finanziellen Agenden der Salzburger Fest spiele bis 1938 und sofort wieder im Jahre 1945. Er war identisch mit der Eigenart dieser Festspiele, nicht mehr ihre äußere Repräsentanz allein, sondern auch schon ihr symbolisches Sein. Den Festspielgedanken hatte er nie bloß als eine Salzburger Aufgabe, sondern „immer als eine gesamtösterreichische, ja europäische Aufgabe gesehen”. Sein Konzept kommt vielleicht am deutlichsten in den Worten zum Ausdruck, die er vor Jahren einem Journalisten auf die Frage, ob auch in den kommenden Jahren mit interessanten Festspielattraktionen zu rechnen sei, gab: „Nicht nur dies”, sagte er. „Wir wollen das echte, intensive Erbe des Festspielgedankens mit Glanz und Spannung umgeben, aber nicht ins Aeußer- lich-Sensationelle rücken. Salzburg ist ein Ausdruck der Spitzenkultur, und diese hat sich stets von den Wurzeln her zur Blüte entfaltet. Ich selbst möchte mit meiner Person ein bescheidener Zeuge dafür sein, und, solange es mir gegönnt ist, auf meinem Arbeitsfeld der Kultur und dem Ansehen Oesterreichs dienen.”

Die Festspiele 1960 werden mit der Eröffnung des neuen Hauses auch schwere Anforderungen an den neuen, seit acht Jahren gesuchten und noch nicht gefundenen Präsidenten stellen. Wer es immer sein mag, es wird schwer sein, einen zweiten Puthon, einen wirklichen Herrn, zu finden.

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