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Junglück am „Haben Frauentag” 1809

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Heftigkeiten waren nicht zu vermeiden. Es wurde nun in die Hofburg hinaufgestürmt, wo Lefevre seinen Hauptsitz hatte, um da die Lokalien zu finden, wo die abgelieferten Gewehre deponiert worden waren. Wirklich wurden noch mehrere Stücke gefunden, ein großer Teil der Waffen soll, wie man sagt, bei der Mühlauer Brücke bei Gelegenheit des Rückzuges in den Inn geworfen worden sein. Unaufhörlich war nun der Zulauf, um noch mehrere derlei Stücke aufzufinden, die Lager und Kasernen wurden wieder von den Bauern durchsucht, aber alles leer gefunden. Die Sturmglocke tönte eben, als sich das ungegründete Gericht verbreitete, die Baiern seien wieder im Anmarsche gegen die Stadt begriffen.

Eben als ich solche Unordnung in der Burg erfuhr, vernahm ich gleichzeitig — zehn Uhr vormittags! circa — daß der Sandwirt Andreas Hofer dahier angelangt wäre. Kaum daß ich dies gehört habe, ging ich, während noch Unfüge in der Burg stattfanden, ihn aufzusuchen. Ich traf den Oberkommandanten A. Hofer im Stadlerischen Hause m der Vorstadt und schilderte mit passenden Worten die Unordnung, die soeben in der Hofburg Platz greift, und bat und forderte ihn auf, diesem Uebelstand baldmöglichst abzuhelfen. Er begab sich mit mir an gedachten Platz, bis wohin wir uns gleichsam sowohl durch die Vorstadt, noch mehr durch die Stadt durch die dichten Massen der Bauern, welche die Stadt auf das Vollste angefüllt hatten, drängen mußten. Auf der Hauptwache, die von Bauern besetzt war, befahl er, daß ein Teil der dortigen Mannschaft nach der Hofburg sich verfügen soll. Wir waren kaum daselbst angelangt, als die Ordnung schon hergestellt und kein Unfug mehr stattfand. Sein bloßes Erscheinen war dazu hinreichend. Ueberhaupt stellte seine Gegenwart, die strenge Scheu vor jeder Verletzung fremder Sicherheit und fremden Eigentums wieder her. Ich ging hierauf mit ihm in die Zimmer, zeigte ihm.

Der Kunst- und Geschichtsfreund findet in Tirol eine Reichhaltigkeit der Kunst, sei es nun ein weihevolles Konzert der Heldenorgel, sei es ein schlichtes Bauernspiel auf dem Lande. Wahre Volkskunst offenbart sich im Lande in allen Dingen des täglichen Lebens, und auch im einsamsten Kirchlein hoch oben dann die sehr schöne und kunstreiche Hofkapelle. Als ich ihm allda den Ort wies, wo der geliebte Kaiser Franz I., der großen Theresia Gemahl, am 18. August 1765 so plötzlich verschied, da kniete der Oberkommandant von tiefer Andacht ergriffen an den Stufen des Altars, wo diese Todesstätte ist, nieder und weihte dem Andenken des Großvaters seines so innig verehrten Kaisers ein frommes Gebet. Ich stellte ihm hiernach vor, daß dieses einstmals die Residenz so vieler Tirol beglückender Fürsten aus Oesterreichs Regentenstamm gewesen sei und bemerkte ihm hiebei, daß dieser der. wohl am wenigsten geeignete Ort sei, Unfüge zu verüben. Er ging sofort in meiner Begleitung in den RiCsensaal, wo er auf die Altane hinaustrat und mit lauter Stimme und ziemlich raschem Tone zu einer Menge auf dem Rennplätze befindlicher Landesverteidiger folgende Worte sprach: .Geht nur hinab, was nützt das Dastehn, geht hinab den Baiern nach, sie kommen dann nicht mehr’. Ruhe und Ordnung war eingetreten. Ehe er noch die Burg verließ, bat ich ihn um eine eigene Wache für dieselbe.

Noch während des Vormittags soll sich der Sandwirt in das Gasthaus zum Goldenen Adler begeben haben, vor welchem sich gar bald eine große Menge Volkes versammelte, um ihn als den Befreier Tirols, wie man ihn nannte, sehen zu können. Er kam zum Fenster und soll bei dieser Gelegenheit folgende Worte an das versammelte Volk, welches ihn freudenvoll ansah. gerichtet haben: ,Grüß enk Gott, meine lieben Innsbrucker. Weil ös mi zum Oberkommandanten gwöhlt habt, so bin i halt da. Es sein aber viel andre da, die koane Innsbrucker sein. Alle, die unter meine Waffenbrüder sein wölln, die müssen für Gott, Koaser und Vaterland als tapfere, rödle und brave Tiroler streiten, die aber dös nit tun wölln, die solln haimziehen. Die meine Waffenbrüder werdn wollen, die solln mi nit verlassen. I wer in den Bergen wird der Wanderer sicher einen Kunstschatz finden. Ein Markttag, das frohe Büchsenknallen eines Schützenfestes der Tiroler Schießstände, eine Tiroler Kirchweih mit Kartenspiel und Kegelbahn und Tanz, all das ist Poesie und bleibt lebenslang haften als Erinnerung an die Herbsttage Tirols.

enk aa nit verlassen, so wahr i Andre Hofer hoaß! Gsogt hab i enks, gsöchn habts mi, pfiet enk Gott!” Auf diese Anrede erfolgte ein langes Vivatrufen der immer zahlreicher zusammengeströmten Volksmenge.

Noch immer strömten Bauern in die Stadt. Auf dem Quartiersamte waren um zehn Uhr schon 18000 Boletten ausgegeben und es wird gewiß auch eine große Zahl Landesverteidiger gewesen sein, welche auch ohne solche Einquartierungszettel zu Mittag gegessen haben. Der Sandwirt ging fortwährend in der Stadt herum, um der übergroßen Masse der Bauern zuzupredigen, daß sie die Baiern verfolgen sollen. Eine Abteilung Oberinntalischer Stürmer war auch in der Stadt mit Vortragung eines Kreuzes, wie sonst bei Prozessionen, erschienen. Der Träger dieses Kreuzes lehnte einstweilen dasselbe bei dem goldenen Dachlgebäude an, bis zu dem dann erfolgenden weiteren Aufbruch. Mit allem Ernste forderte nun A. Hofer die große Masse auf, sich nach Unterinntal zu begeben. Es wurden Tambours herumgeschickt zum Zeichen .des erfolgenden Abmarsches. Auch befahl A. Hofer, daß eine Wache den Hof beziehen soll.

Nachmittag um ein Uhr brachten einige Bauern den ehemaligen königl. Bairischen Finanzdirektor Hr. Senger von Hötting, wohin er sich zurückgezogen hatte, herab und zum Oberkommandanten A. Hofer im Stadlerischen Hause hin, wo er vor ferneren Insulten Schutz fand. Hr. Senger blieb einstweilen im daranstoßenden Zimmer, neben welchem Hr. Stadler nebst seiner Gemahlin und Sohn, dann der Kapuziner-Provinzial Pr. Jakob Gepp und And. Hofer sich bei dem Mittagessen befanden. Ich kam auch zu dieser Zeit dahin, als Hr. Stadler und der ehrwürdige Provinzial in Hofer drangen, hier seinen Sitz aufzuschlagen und bei dem allgemeinen Vertrauen und Achtung, die er genießt, sich auch der Administration des Landes zu unterziehen, um allen aus einer so kritischen Epoche unvermeidlich entstehenden Unordnungen vorzubeugen. Ich war um diese Zeit zu genannten Hr. Oberkommandanten gekommen und war nicht nur allein Augen- und Ohrenzeuge dieser für Tirol ewig merkwürdigen Szene, sondern ergriffen über die Wahrheit, daß in diesem Augenblicke ein in solch allgemeinem größten Vertrauen stehender Mann wie Andreas Hofer die beste dermal vielleicht wohl auch die einzige Stütze zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Schutz der Gesetze sei und daß in diesem kritischen Moment wahrlich in keine besseren Hände die Verwaltung des Landes gelegt werden könne, konnte ich mich nicht enthalten, die gleiche Bitte wie Hr. Stadler und der Pater Provinzial vorzubringen. Selbst der im Nebenzimmer befindliche erwähnte Hr. Finanzdirektor, der alles deutlich vernahm, sah die Notwendigkeit dieser Maßregel in dem dermaligen Zeitumstande ein. Und schon Nachmittag auf die heute früh von den Bauern wieder in Besitz genommene Hauptstadt war im Verhältnis eine Ruhe und Stille eingetreten, welche die Katastrophe des erlebten Morgens wohl nicht ahnen ließ. Es hatte sich zwar die große Masse der Landesverteidiget schon aufgelöst, ein großer Teil war den Baiern nachgezoven und viele gingen wieder in ihre heimatlichen Täler und Berge zurück, es kamen aber auch noch abends neuerlich Schützenkompagnien hierher. Die von Meran übernahm auf Befehl des Sandwirts die Wachen in der Burg..

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