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Personifizierte Zeit(ungs)geschichte

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Er war nicht nur der Doyen der Journalisten unseres Landes, er war vor allem in der fachlichen und stilistischen Beherrschung seines Metiers ein Meister von hohem ethischem Anspruch. Und er war im besten österreichischen Sinne ein Herr der alten Schule. Nun ist Milan Dubrovic am 11. September im 91. Lebensjahr gestorben.

Sein Name verweist auf die Herkunft aus den Zeiten der Monarchie. Der Vater stammte aus dem dalmatinischen Küstenland, die Mutter aus Niederösterreicher. Milan Dubrovic wurde am 26. November 1903 in Wien geboren. Er hat als Bub noch k. u. k. Kavallerieoffiziere auf den Reitwegen der Ringstraße vorbeitraben gesehen und hörte im Juni 1914 die Zeitungsverkäufer den Mordanschlag von Sarajewo ausrufen.

Geprägt wurde sein Leben aber von den Erfahrungen der Ersten Republik. In den frühen zwanziger Jahren gelangte er in den Kreis der Schriftsteller und Künstler, die im Cafe Herrenhof allabendlich eifrig diskutierten. Franz Werfel und Manes Sperber, Heimito von Doderer, Leo Perutz und Alexander Ler- net-Holenia gehörten dazu, natürlich auch sein langjähriger Freund Friedrich Torberg. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen entwickelte er sich mit Kritiken, Feuilletons und Kommentaren zum anerkannten, geschätzten, schließlich verehrten Journalisten.

Er hatte 1927 bei der Wiener Allgemeinen Zeitung begonnen, war dann seit 1930 bis knapp vor Kriegsende beim Wiener Tagblatt, wo er sich trotz der für einen österreichischen Patrioten so widrigen Umstände mit Anstand bewährte, auch auf Umwegen mit jüdischen ehemaligen Kollegen und mit Leuten des Widerstandes gegen das NS-Regime Kontakt halten konnte.

Nach dem Kriege gehörte er 1946 zu den Neugründern der „Presse“, wo er zunächst Leiter der Kulturre daktion und dann Chefredakteur war und so auch mit den großen Politikern der Zweiten Republik in persönlichen Kontakt kam. 1953 nahm er das Angebot an, als Presse- und Kulturattache an die österreichische Botschaft nach Bonn zu gehen. Die 17 Jahre im diplomatischen Dienst bildeten einen weiteren wichtigen Abschnitt im Leben von Milan Dubrovic, denn dort konnte er das Bild Österreichs, besonders die kulturellen Leistungen, der deutschen Öffentlichkeit nahebringen.

Hatte er die österreichischen Schicksalsjahre von 1914 bis 1945 als „Tragödie Europas“ bezeichnet, so wurde er nun Äugen- und Ohrenzeuge der dramatischen Jahre des Kalten Krieges und der leidvollen Zeit des geteilten Deutschlands. Es war ihm noch vergönnt, den Fall der Berliner Mauer und die Ansätze zur Demokratie in den früher kommunistisch regierten Ländern des östlichen Europas zu erleben.

Dubrovic war nicht nur ein Gesprächspartner bedeutender Persönlichkeiten des kulturellen Lebens sowie aus Politik und Diplomatie. Er war als Chefredakteur und zuletzt als Herausgeber der „Wochenpresse“ ein kluger, witziger und von hohem Verantwortungsbewußtsein geleiteter Lehrer jüngerer Journalisten. Wer das Glück hatte, ihn zu kennen und bei ihm zu lernen, wird ihn nicht vergessen.

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