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Spannungen in Brasilien
Der Konflikt mit der Kirche, der sensationell aufgezogene Rücktritt des Generals Amaury Kruel und die einschneidenden wirtschaftlichen Maßnahmen sind Symptome der brasilianischen Krise. Übrigens dürfte der Präsident Castelo Branco mit zwei Rekorden in die brasilianische Geschichte eingehen. Kein Präsident hat in sechs Monaten so viel Papiergeld gedruckt und so viele Freunde in Feinde verwandelt.
Das Wirtschaftsprogramm der Revolutionsregierung ist gescheitert. Der Planungsminister Roberto Cam- pos, ein Nationalökonom von internationalem Ruf, hat sich zu der unpopulärsten Figur des Regimes machen lassen. Im Vorjahr sollten die Preise um 25 Prozent steigen, erhöhten sich aber um 45 Prozent. In diesem Jahr wollte man die Inflationsspirale bei 10 Prozent bremsen, ist aber in sechs Monaten schon um 31 Prozent in die Höhe geschnellt. In einem halben Jahr druckte man jetzt 170 Billionen Cruzeiros neu, während Dr. Kubi- tschek, der Brasilia mit der Inflation bezahlte, in fünf Jahren auf 132 Billionen kam. Jetzt hat die Regierung praktisch die Löhne eingefroren, ohne die Preise bremsen zu können. So wächst die Not, am alarmierendsten in dem nordwestlichen Elendsgebiet, in dem Kennedy den Explosionsherd Lateinamerikas sah.
Der Erzbischof von Recife, Dom Helder Camara, und die 15 Bischöfe dieses Bezirks erließen ein soziales Manifest: Die Kirche müsse die schützen, „die trotz aller Anstrengungen nicht genügend verdienen könnten, um sich und ihre Familien zu ernähren, und zu menschenunwürdigen Lebensverhältnissen verurteilt bleiben". Die Generäle verboten die Verbreitung der bischöflichen Kundgebung und drohten, den Erzbischof ins Gefängnis zu bringen. Kurz vorher hatten Studenten in Klöstern bei
Belo Horizonte Asyl gefunden, die vorher von 1500 Soldaten gehindert worden waren, eine Konferenz ihrer (verbotenen) Vereinigung abzuhalten. Der Provinzial des Dominikanerordens, Fray Francisco de Araujo, sagte daraufhin bei einer Predigt in Säo Paulo, er erkläre sich mit allen Orden und Geistlichen solidarisch, die den Studenten Schutz gewährt hätten, „um zu vermeiden, daß sie verhaftet und grausamen Torturen unterworfen...“ — „Wenn Christus heute in Brasilien wäre, würde Er angesichts der kriminellen Akte weinen, die von den Regierenden an den Menschen begangen werden“, sagte er.
Trotzdem in Brasilien verfassungsmäßig Staat und Kirche getrennt sind, übt die Kirche einen starken Einfluß aus. Ihre Gegnerschaft ist für das Regime Castelo Brancos gefährlicher als die der Politiker und Generäle, die er sich bei seiner „Gleichschaltung“ von Freunden zu Feinden macht.
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