Gestrandet auf dem Weg in ein glücklicheres Leben

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Unter dem Motto "Aufbrechen" begeht die Diözese Innsbruck ihr 50-Jahr-Jubiläum auch künstlerisch. Drei Künstler haben dieses auf unterschiedliche Art interpretiert.

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Unter dem Motto "Aufbrechen" begeht die Diözese Innsbruck ihr 50-Jahr-Jubiläum auch künstlerisch. Drei Künstler haben dieses auf unterschiedliche Art interpretiert.

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Aufbrechen" heißt das Motto, unter das die Diözese Innsbruck ihr heuriges 50-Jahr-Jubiläum stellt: ein Anlass, der auch mit Kunst gefeiert wird. Und dies gleich an drei Orten in Innsbruck. Im Dom zu St. Jakob, wo die seit 25 Jahren bestehende Initiative "Kunstraum Kirche" jährlich in der Fastenzeit einen Künstler zu einer Intervention einlädt, am Vorplatz von Stift Wilten und in der Theologischen Fakultät, wo ebenfalls seit Jahren ein wunderschöner langer Gang immer wieder mit Kunst bespielt wird.

Um Aufbrüche der unterschiedlichsten Art geht es in den drei Installationen. Die spektakulärste ist unzweifelhaft die von Anton Christian, der ein altes hölzernes Fischerboot an der Domfassade zerschellen lässt. Die medialen Bilder vor Lampedusa gestrandeter leerer oder voller Flüchtlingsboote drängen sich hier spontan auf. Und man erinnert sich auch an den Satz von Papst Franziskus, der unser aller kollektives Wegschauen von dieser humanitären Katastrophe als "vergogna" (Schande) für das katholische Europa bezeichnet hat. Eine Kritik, von der letztlich auch die Institution Kirche nicht ausgenommen ist.

Bildnisse von Glaubenszeugen

Was er hier mache, habe nichts mit Kunst zu tun, sagt der Tiroler Maler und Grafiker Anton Christian. Den es auch nicht stört, mit dem gestrandeten Boot eine relativ abgenützte Metapher zu bemühen. Denn worum es ihm hier geht, ist es, betroffen zu machen. Uns, die wir relativ sicher im "Schifflein Petri" sitzen, an jene zu erinnern, die auch ins angeblich schon volle Boot möchten. In der Hoffnung, unser aller kaltes Herz zu erweichen, hat der Künstler einen großen Stein in den Mittelgang der prächtigen hochbarocken Kirche gelegt. Neben ein rostiges altes Ölfass in seiner ganzen vielschichtigen Besetztheit. In das von der illusionistisch zum Himmel sich öffnenden bemalten Decke im Sekundentakt ein Tropfen Wasser fällt. Kaum hörbar, aber stetig, und auch in den Außenraum übertragen. Um daran zu erinnern, dass die Zeit zum Handeln drängt. (Bis 19. April)

An 13 Menschen, die während der NS-Zeit nicht mitgemacht haben, "auch wenn alle mitmachen", erinnert der deutsche Bildhauer Rudolf Kurz mit den zwölf Stelen, die er am Vorplatz der Stiftskirche Wilten aufgestellt hat. Die Bildnisse der Glaubenszeugen hat er in schlanke, überlebensgroß in rohe Eisenrahmen gefasste Gipsplatten als Negativformen gegraben. Dem verstorbenen Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher begegnet man hier genauso wie den Geschwistern Scholl, dem in Buchenwald ermordeten Pfarrer Otto Neururer oder Bruder Gereon, dem einzigen Angehörigen von Stift Wilten, der in Dachau sein Leben verloren hat. (Bis 30. Juni)

Über den Moment des Aufbruchs

"Aufbrüche spielen sich im Gehirn ab", sagt Beatrix Salcher. Und: "Der Moment des Aufbruchs ist wie ein Flügelschlag vorbei. Unfassbar wie ein Spiegelbild". Was die in Kalifornien bzw. im niederländischen Leiden lebende Tirolerin damit meint, zelebriert sie im "Kunstgang" der Theologischen Fakultät, wo sie anhand von 23 Personen ihre These illustriert, dass Aufbrüche der unterschiedlichsten Art nicht zuletzt mit der geografischen Verortung der einzelnen Protagonisten zu tun haben. Weshalb Koordinaten eine zentrale Rolle spielen, die ihres eigenen Geburtsorts genauso wie jene von Sigmund Freud, Franz Schubert und Charles Darwin bis zu denen von Dian Fossey, Neil Amstrong oder Jaques Piccard.

Anhand von Siebdrucken werden die Porträtierten auf höchst originelle Weise charakterisiert.

Mit kurzen Texten, Formeln, Bildern, Pflanzen oder abstrakten Strukturen wird das auf den Punkt gebracht, was ihr Wesen und ihre Leistung ausmacht. Hervorgebracht von ihren Gehirnen, deren Strukturen die Künstlerin auf grüngelbe transparente Papiere gemalt hat, mit denen die 36 Fenster des Ganges zugeklebt sind. In verspiegelten Kästen mutieren die in Glas geblasenen und von metallenen Netzen umfangenen Gehirne dagegen zur bisweilen wie Blüten oder Bäume daherkommenden Skulptur. Was jede fast unmerklich anders macht, ist ein in die Oberfläche ähnlich einem Chip implantierter "Mikrodruck", auf dem mit freiem Auge kaum sichtbar die Orte und Ereignisse eingeschrieben sind, die das Leben und die Arbeit dieser bemerkenswerten Personen ausmachen. Am Ende des langen Ganges steht ein alter Beichtstuhl. Bestückt mit einem monumentalen, aus glitzernden Glasfiberkabeln gemachten "Gehirn", das sich durch Spiegel in alle Richtungen scheinbar endlos fortsetzt. (Bis 11. April)

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