Kein Dollar und kein Rubel

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Von Feindbildern und den wirtschaftlichen Problemen der sowjetischen Besatzungszone in Österreich.

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Von Feindbildern und den wirtschaftlichen Problemen der sowjetischen Besatzungszone in Österreich.

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Der Begriff "Ostzone" ist mit negativen Assoziationen verbunden. Er erinnert an Unfreiheit, Unsicherheit, Fremdherrschaft, Enteignung und wirtschaftlichen Mangel. Nun ist es für kein Land leicht, zu einer Besatzungsmacht ein gutes Verhältnis zu finden, mit der Sowjetunion taten sich die Österreicher aber besonders schwer. Der bürgerlich-agrarischen Mehrheit in Österreich waren linke politische Experimente schon seit der Zwischenkriegszeit ein Greuel, hatte man doch die revolutionären Tendenzen nach dem Ersten Weltkrieg miterlebt. Verstärkt wurde dieses Feindbild durch die nationalsozialistische Propaganda, die nach dem Anschluß 1938 auch über Österreich hereinbrach. Der deutsche Vernichtungskrieg an der Ostfront ließ zusätzlich noch die Befürchtung wach werden, daß die Rote Armee gleiches mit gleichem vergelten würde. Das Wort vom Frieden, der schrecklich sein würde, hat hierin seinen Ursprung.

So mag es nicht verwundern, daß viele Österreicher der Befreiung durch die Rote Armee mit zwiespältigen Gefühlen entgegensahen. Und die Erlebnisse der ersten Nachkriegswochen schienen die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Österreich wurde offiziell als befreites Land betrachtet, doch offensichtlich fiel es den Sowjets schwerer als anderen Besatzungsmächten, die Disziplin ihrer Soldaten nach dem Sieg aufrechtzuerhalten.

Schließlich normalisierte sich aber auch der Besatzungsalltag in der russischen Zone. Nun begannen jedoch organisierte Aktionen der Sowjetunion, die von den Österreichern weitgehend als Willkür betrachtet wurden. Das betraf einmal die wirtschaftlich weitgehend sinnlosen Demontagen und zum anderen willkürliche Verhaftungen. Darüberhinaus begannen ab 1946/47 die Sowjets, ihre Besatzungszone wirtschaftlich auszubeuten und errichteten zu diesem Zweck einen sowjetischen Konzern von mehreren hundert Betrieben, die USIA. An dieser Vorgangsweise war Österreich nicht ganz unschuldig. Daß die Sowjetunion Reparationen für ihren eigenen Wiederaufbau benötigen würde, stand außer Frage. Während das Bruttosozialprodukt der USA im Krieg um 60 Prozent gestiegen war, hatte sich das in der Sowjetunion fast halbiert. Zusätzlich waren Zigtausende Österreicher an der Zerstörung ihres Landes tatkräftig beteiligt gewesen. Auf Grund der "Opferthese", daß Österreich als erstes Opfer des Nationalsozialismus als befreites Land galt, war es aber nicht möglich, einfach eine Pauschalsumme als Reparation zu verlangen und es den Österreichern selbst zu überlassen, wie sie diese erwirtschaften konnten. Als Reparation kam daher nur das "Deutsche Eigentum" in Österreich in Frage, das auf dem Gebiet der Besatzungszone lag. Durch den Anschluß, Arisierungen und Investitionen der deutschen Rüstungsindustrie lagen aber 42 Prozent des deutschen Auslandsvermögens in Österreich. Österreich reagierte mit den Verstaatlichungsgesetzen, welche die westlichen Alliierten schließlich mit Vorbehalt akzeptierten. Die Sowjetunion aber faßte "ihr" deutsches Eigentum in Österreich zu einem Wirtschaftskonzern zusammen, den sie für ihre eigenen Bedürfnisse arbeiten ließ. So entstand etwas, was es noch nie gegeben hatte: eine planwirtschaftliche Enklave in einem marktwirtschaftlichen Umfeld. Ursprünglich war man davon ausgegangen, diese Betriebe voll und ganz in die Sowjetökonomie zu integrieren. Die Verflechtung mit der übrigen österreichischen Wirtschaft war aber so groß, daß dies doch nicht möglich war. Etwa 38 Prozent der Produktion dieser Betriebe gingen schließlich in den Osten, so daß der Großteil doch in Österreich verblieb. Das Schlimme an dieser Enklave war, daß sie nicht berechenbar war. Man wußte nicht genau, wieviele Betriebe die Russen an sich gezogen hatten, sondern nur, daß sie beim Begriff "Deutsches Eigentum" sehr großzügig vorgegangen waren. Buchhaltung und Kalkulation erfolgten anders, sie zahlten nur teilweise Steuern und keine Zölle, verfügten über einen bewaffneten Werkschutz, und die leitenden Funktionäre aus der Sowjetunion wurden etwa alle zwei Jahre abgelöst, um nur ja keine engere Verbindung mit den Österreichern aufkommen zu lassen.

Marode USIA-Betriebe Es war daher nicht verwunderlich, daß die österreichische Regierung und die westlichen Alliierten gegen die USIA-Betriebe eingenommen waren. Sie erhielten kaum öffentliche Aufträge - schließlich zahlten sie ja auch kaum Steuern -, es gab schwarze Listen und die Marshall-Plan-Mittel wurden gezielt zu Ersatzproduktionen im Westen eingesetzt, um von der USIA unabhängig zu werden. Die Situation dieser "Russenbetriebe" verschlechterte sich daher ab Anfang der fünfziger Jahre zusehends. So dürften die Sowjets 1955 durchaus froh gewesen sein, als sie sich ihren maroden Wirtschaftskomplex mit dem Staatsvertrag von den Österreichern auch noch gegen teures Geld abkaufen lassen konnten.

Es mag ein historischer Nachteil der Sowjetunion gewesen sein, daß sie im Kalten Krieg zwangsläufig mit den USA verglichen wurde. Während in Westösterreich die wärmende Sonne des Marshall-Planes schien, herrschte in Ostösterreich der russische Winter. Denn die "Reparationen" an die Sowjetunion über Kriegstrophäen, Demontagen, Besatzungskosten, USIA und sowjetisch verwaltete Betriebe und deren Abgeltung mit dem Staatsvertrag haben schließlich eine Summe erreicht, welche sämtlichen westlichen Hilfslieferungen einschließlich des Marshall-Planes zumindest entsprach.

Der Autor ist Professor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien.

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