Salzburger Festspiele: Was man bei Mozart erhoffte, wurde bei Verdi eingelöst
Mozarts „Le nozze di Figaro“ und Verdis „Macbeth“ galten die ersten, unterschiedlich geglückten Musiktheaterpremieren dieses noch jungen Salzburger Festspielsommers.
Mozarts „Le nozze di Figaro“ und Verdis „Macbeth“ galten die ersten, unterschiedlich geglückten Musiktheaterpremieren dieses noch jungen Salzburger Festspielsommers.
Dass Martin Kušej 2005 und 2006 für das Schauspiel bei den Salzburger Festspielen verantwortlich zeichnete, scheint heute weitgehend vergessen. Nicht dass er dort auch Mozart inszeniert hat. Sein 2003 mit Nikolaus Harnoncourt erarbeiteter „Don Giovanni“ ist auch deshalb in lebhafter Erinnerung, weil er den Auftakt der Weltkarriere von Anna Netrebko bildete. Warum, so das Kalkül der Festspiele, sollte man Kušej nicht auch einmal eine andere Da-Ponte-Oper Mozarts szenisch anvertrauen? Etwa den sich durch gesellschaftliche Sprengkraft auszeichnenden „Figaro“. Gemeinsam mit einem jungen Ensemble und einem in seiner Herangehensweise an der Ästhetik Harnoncourts geschulten Dirigenten wie
Raphaël Pichon, der bereits mit Mozart-Einspielungen auf sich aufmerksam gemacht hat, sollte ‒ nein: müsste ‒ das eine spannende Produktion garantieren. Aber nicht immer gelingt, was man sich erwartet, wie dieser im „Haus für Mozart“ ausgerichtete „Verrückte Tag“ hinreichend bewies.
Hätte Kušej seine Inszenierung anders angelegt, wäre ihm die Eröffnungsrede der diesjährigen Salzburger Festspiele vorweg bekannt gewesen? Darin geißelte Nobelpreisträger Anton Zeilinger die Tendenz, Kunstwerke zu dekonstruieren, scharf. Genau darin übt sich Kušej in diesem „Figaro“ jedoch. Unterstützt von einer an Atmosphärelosigkeit kaum überbietbaren Bühnenarchitektur (Raimund Orfeo Voigt) samt dazu passenden Kostümen (Alan Hranitelj) lässt er in seiner in einem schmucklosen Hotel spielenden Mozart-Inszene lieber Pistolen sprechen. Nicht Subtilität und Hintergründigkeit sind Trumpf, sondern Sex und Crime. Basilio wird zum mafiosen Geistlichen, der vermutlich mit Kindermissbrauch einiges am Hut hat. Über Cherubinos Geschlecht darf man rätseln. Offen bleibt in dieser wenig auf Personencharakteristik zielenden Arbeit zudem, wie die Protagonisten, die zu Beginn offensichtlich Drogen nehmen, am Ende aus ihrem Grasgestrüpp herauskommen und ihr weiteres Leben gestalten werden. Dass „Le nozze di Figaro“ in Wirklichkeit eine „libertine, karnevaleske Komödie“ ist, in der „alle Autorität auf den Kopf gestellt“ wird, kann man wenigstens aus dem brillanten Essay der Münchner Literaturwissenschafterin Barbara Vinken im Programmbuch erfahren.
Auch musikalisch blieb dieser „Figaro“ sehr am Boden. Ausgenommen die ‒ wenn auch kleinstimmigen ‒ Gestalterinnen von Susanna (Sabine Devieilhe) und, mit Abstand, Cherubino (Lea Desandre). Routiniert Andrè Schuens Graf, blass Adriana Gonzálezʼ Gräfin, polternd Krzysztof Bączyks Figaro. Ehe Raphaël Pichon die Wiener Philharmoniker von und mit seinen Klang- und Tempo-Ideen überzeugen konnte, dauerte es.
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