the-greek-passion.jp - © Foto: © SF/Monika Rittershaus

Salzburger Festspiele: Verirrter Klassiker und aufrüttelnde Rarität

19451960198020002020

Mit Verdis „Falstaff“ und Martinůs hier erstmals gezeigter „The Greek Passion“ boten die Salzburger Festspiele erneut ein Wechselbad der Gefühle.

19451960198020002020

Mit Verdis „Falstaff“ und Martinůs hier erstmals gezeigter „The Greek Passion“ boten die Salzburger Festspiele erneut ein Wechselbad der Gefühle.

Werbung
Werbung
Werbung

„In der Geschichte gibt es unglaublich viel Verwirrung, es greift alles ineinander“, eröffnete Christoph Marthaler im Vorfeld seines Salzburger „Falstaff“ seine grundlegende Sicht zu Verdis Alterswerk. Anstelle aber die Fäden zu entflechten, versucht er in seiner Inszenierung im Großen Festspielhaus alles, um die Handlung noch weiter zu verkomplizieren. Anknüpfungspunkt für seine Arbeit ist im Wesentlichen Orson Wellesʼ „Falstaff“-Verfilmung, worin dieser auch als Darsteller mitwirkt. Deswegen verlegt Marthaler seine „Falstaff“-Erzählung ‒ begleitet von der fantasievoll überbordenden Dekoration seiner Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock ‒ in ein amerikanisches Filmstudio, erweitert Verdis Personal durch einen Regisseur, der sich unschwer als Falstaffs Alter Ego ausmachen lässt.

Mit dem Unterschied, dass dieser mit der für diese Figur gewohnten Korpulenz aufwartet, die man beim eigentlichen Falstaff vermisst. Er ist in dieser Inszene schlank, wirft stetig Pillen ein, gibt sich in dem mit einem Pool bestückten Ambiente anzüglich. Überhaupt scheint es, als dürfen die Darsteller in diesem skurrilen, Slapstick-artigen Verwirrspiel ihre Rollenvorstellungen selbst verwirklichen. Zu einem tieferen Verständnis des originalen Plots trägt diese von Hollywoods Filmwelt inspirierte, zuweilen fast improvisatorisch wirkende Lesart nichts bei.

Hätte man diese Aufführung nicht als „Verdis ‚Falstaff‘, frei nach Christoph Marthaler“ ankündigen sollen? Offensichtlich will er mit dieser, mit zahlreichen, zweifellos virtuos verschobenen Versatzstücken arbeitenden Produktion aufzeigen, welche ungebändigte Bilderflut zu erwarten wäre, würde die Zeit aus den Fugen geraten. So gesehen ist dieser „Falstaff“ eine das gleichnamige Motto der diesjährigen Festspiele an der Salzach pointiert reflektierende, zeitkritische Verdi-Auseinandersetzung. Sie hätte allerdings mehr Tiefenschärfe vertragen. Wie der mit kurzem Applaus und zahlreichen Buh-Rufen quittierte Premierenabend zeigte, konnte das Publikum mit diesen eigenwilligen Verdi-Metamorphosen nur wenig anfangen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung