Salome.jp - © Foto: Barbara Pálffy / Volksoper Wien

Nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

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Mit Anlaufschwierigkeiten: Wiens Staats- und Volksoper eröffneten die neue Saison mit Wiederaufnahmen von Mozart, Bellini und Strauss.

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Mit Anlaufschwierigkeiten: Wiens Staats- und Volksoper eröffneten die neue Saison mit Wiederaufnahmen von Mozart, Bellini und Strauss.

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Mit gleich drei Wiederaufnahmen hat sich die Wiener Staatsoper zu Saisonbeginn einer besonderen Herausforderung gestellt. Noch dazu mit Werken unterschiedlicher Popularität, wie Mozarts nicht selten unterschätztes Alterswerk „La clemenza di Tito“. Ein Urteil, das wohl daher rührt, dass sich der Komponist die Rezitative von einem Assistenten zuarbeiten ließ. Vermutlich von Franz Xaver Süßmayr, von dem auch die bekannteste Komplettierung von Mozarts Requiem stammt.

Schon bei der Premiere, im Mai 2012, stieß Jürgen Flimms mehr spielerische als auf den eigentlichen Gehalt dieser Opera seria konzentrierte Inszenierung im wenig atmosphärischen Bühnenbild von George Tsypin – im Wesentlichen zwei verschiebbare Wände – auf wenig Gefallen. Ein Urteil, das auch dieser neuerliche „Titus“-Anlauf nicht ändern konnte. Zudem lief es auch musikalisch alles andere als wunschgemäß.

Für seinen Monteverdi-Zyklus gefeiert, muss sich Dirigent Pablo Heras-Casado seine Lorbeeren mit Mozart erst verdienen, vor allem das Orchester von seinem Faible für ein historisch informiertes Musizieren überzeugen. Eine sorgfältigere Sängerbegleitung, wie er sie bei dieser Premiere bot, bei der die Balance zwischen Bühne und Orchestergraben wiederholt ins Wanken geriet, wäre auch kein Nachteil gewesen.

Von der Sängerbesetzung hatte man sich mehr erwartet. Nur solide Matthew Polenzanis Titus, enttäuschend Federica Lombardi als Vitellia, aber auch Kate Lindsey als Sesto. Sollte sie ihren sängerischen Höhepunkt schon überschritten haben? Rollendeckend Slávka Zámečníková als Servilia und Patricia Nolz als Annio. Untadelig Peter Kellner als Publio und Amelle Parys als Berenice.

Pretty Yende war für die Wiederaufnahme von Bellinis zweiaktigem Melodramma „La sonnambula“ – die Premiere war 2001 – avisiert. Sie sagte ab, damit kam Brenda Rae als Amina zum Zug und feierte damit zugleich ihr Wiener Rollendebüt in dieser von Thomas Manns „Zauberberg“ inspirierten Inszenierung von Marco Arturo Marelli. Beeindruckend vor allem ihre Pianokultur. Javier Camarena setzte als Elvino mehr auf die Kraft seiner Stimme als auf innige Emotionen. Routiniert Szilvia Vörös als Teresa, etwas angestrengt Maria Nazarovas Lisa. Untadelig Roberto Tagliavinis Rodolfo. Stimmung wollte auch an diesem Abend nur phasenweise aufkommen. Das lag am Dirigenten, Giacomo Sagripanti. Er verhedderte sich vielfach in subtil nachgezeichneten Details. Von zündendem Animo erfüllte Spannungsbögen ließ er dagegen erst gar nicht aufkommen.

Strauss am Ring und am Währinger Gürtel

Wäre nicht Sebastian Weigle ein idealer Musikchef der Volksoper Wien gewesen? Darüber wurde vor Jahren diskutiert. Gekommen ist es anders. Das Haus am Währinger Gürtel verzichtete auf einen Chefdirigenten. Den Berliner Weigle, der seine Musikerkarriere als Solohornist der Staatskapelle seiner Heimatstadt begonnen hatte, zog es schließlich als Generalmusikdirektor ans Frankfurter Opernhaus.

Nicht zuletzt als Strauss-Interpret hat er sich einen exzellenten Ruf erarbeitet. Ihm hat man am Haus am Ring nun die Wiederaufnahme der 2004 von Semyon Bychkov glanzvoll aus der Taufe gehobenen „Daphne“-Produktion anvertraut.

Wohl eine der geglücktesten Wiener Opernproduktionen der letzten Jahrzehnte. Nicht zuletzt dank des Kunstgriffs des Regisseurs Nicolas Joel, diese bukolische Tragödie in Kulissen spielen zu lassen, die dem Ambiente der ebenfalls der Idee der Antike verpflichteten Münchner Villa Stuck (Bühne: Pet Halmen) nachempfunden sind.

Darin lässt sich der mythische Stoff dieses Einakters geradezu selbstverständlich vermitteln. Selbst wenn Günther Groissböcks noch etwas steif wirkender Peneios, Noa Beinarts ausdrucksreiche Gaea, Daniel Jenzʼ Leukippos und David Butt Philips Apollo sowie die sich schließlich zu hoher Emphase steigernde Hanna-Elisabeth Müller als Daphne (alles übrigens Rollendebüts) nicht ganz mit der eminenten Strahlkraft der einstigen luxuriösen Premierenbesetzung mit Ricarda Merbeth, Michael Schade und Johan Botha konkurrieren konnten. Sebastian Weigle erwies sich als profunder Kenner der Partitur. Aus dem zwischen kammermusikalischer Dezenz und rauschhafter Attitüde meist souverän vermittelnden Orchester hätten sich allerdings noch mehr klangliche Valeurs herausholen lassen.

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