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Zehn Monate Festspiele...

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Die Wiener Festwochen 1967, die 17. in einer erfolgreichen, um wachsende Weltgeltung bemühten Reihe, beginnen am Abend des 20. Mai vor dem lichtumfluteten Rathaus und enden am 18. Juni. Dazwischen liegt ein in seiner Überfülle kaum überschaubares Programm, das ein Motto „Nachbarn an der Donau“ zu binden versucht. Es reicht von der österreichischen Erstaufführung von Joseph Haydns „Orfeo ed Euridice“ mit Joan Suther-land, Nicolai Gedda und Spiro Malas, dem zwölf Orchesterkonzerte umfassenden Mahler-Zyklus und einem Opernfestival, an dem sich neben den Wiener Musikbühnen die Steats-und Nationaltheater von Budapest, Brünn, Prag und Zagreb beteiligen, bis zur Darstellung der Avantgarde im Donauraum. Die karge Auslese aus einem behutsam geplanten Konzept vermag auch nicht annähernd der Vielgesichtigkeit des künstlerischen Vorhabens gerecht zu werden, das die Musik- und Theaterstadt Wien zu bieten verspricht.

Was die Wiener Festwochen von den zahlreichen europäischen Festepielen, vor allem von den heute schon ehrwürdig-klassischen Salzburger Festspielen unterscheidet, ist ihre Sonderstellung im geistigen Großraum einer Weltstadt, der auch vor dem 20. Mai und nach dem 18. Juni seine unverminderte Ausstrahlung besitzt. Einen entscheidenden, wenn nicht sogar den wichtigsten Wirkungsanteil an dieser Ausstrahlung haben die österreichischen Bundestheater: das Burgtheater, die Staatsoper und die Volksoper. Sie betrachten ihre möglichst intensive Teilnahme an der Bereicherung des Wiener Festwochenprogramms als eine ebenso selbstverständliche wie ehrenvolle Verpflichtung und stimmen daher ihr Repertoire sehr bewußt auf den besonderen Anlaß ab. Sie fassen, was sie an Gutem und Bestem zu bieten haben, zusammen und leisten darüber hinaus auch jeweils ihren speziellen Beitrag.

So bringt etwa heuer das Burgtheater die Erstaufführung der von Rudolf Henz neu übersetzten „Tragödie des Menschen“ von Imre Madäch als Gastspiel im Theater an der Wien heraus, die Staatsoper stellt sich mit einer Neuinszenierung des „Don Giovanni“ durch Otto Schenk unter Professor Joseph Krips ein und die Volksoper nimmt die allzulange der Opernbühne entfremdete „Tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold wieder in den Spielplan auf. Überdies stellt sie dem Brünner Staatstheater für ein Ensemblegastspiel mit „Die Sache Makropoulos“ von Leos Janacek und „Dalibor“ von Friedrich Smetana ihre Häuser zur Verfügung.

Das Repertoire der drei in das Programm der Wiener Festwochen einbezogenen Bundestheater darf als bekannt vorausgesetzt werden. Seine Zusammenstellung verbürgt, daß die Gäste der Festwochen auch an den staatlichen Bühnen das finden, was sie mit Recht erwarten. Anders als andere Häuser und Festspielhäuser in anderen Städten mit einer durchaus voll anerkannten Festwochentradition, steht es den Bundestheatern nicht an, sich auf eine nur wenige Wochen lang währende Hochsaison zu konzentrieren, denn ebenso wie die Stadt Wien haben auch sie selbst immer Saison. Oder, genauer gesagt: doch mindestens von Anfang September bis Ende Juni, also insgesamt zehn Monate in jedem Jahr.

Das Ansehen der in aller Welt anerkannten Musik- und Theaterstadt Wien erlaubt es nicht, irgendwann, auch nur vorübergehend, die Zügel schleifen zu lassen, und sie erst wieder anzuziehen, wenn Festwochen angesagt sind. Die Festspielverpflichtung der Wiener Bundestheater reicht faktisch vom Frühherbst bis zum Hochsommer. Und das ohne Pause. Die Bürger und Steuerzahler, die mit ihrem Geld die Bundestheater erhalten, haben in einer Stadt, die das ganze Jahr über auch eine Touristenstadt ist, ein Recht darauf, nicht schlechter bedient zu werden, wenn im Kalender just keine Festwochen stehen.

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