Nicht anstreifen müssen

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Also irgendwie hab ich manchmal Glück! Ich nehme an einer Tagung - europäische Theaterleute treffen sich - teil, und da sind Menschen, denen ich nahezu brüderlich verbunden bin. Franzosen, Engländer, Iren, Italiener und Deutsche. Alle, ohne Ausnahme, genießen meine Sympathie, daran hat nicht einmal der (un-)selige Herr Peymann etwas ändern können.

Schon mit dem etwas kargen Frühstück beginnt der menschliche Kontakt. Hotel, Terrasse, Gäste, auch Nicht-Berufskollegen. Heute sitze ich zwischen Amerikanern links und Russen rechts am Tisch. Beide Familienteams konsumieren, ohne auf die Dicke ihrer Brieftasche zu achten. Man hat's ja, die einen schon lang, die anderen genießen den neuen Sehr-Wohlstand mit gespielter Fadesse.

Aber ich, ich möchte weder mit den einen noch mit den anderen frühstücken. Die links haben krawallisierende Kinder und bunte Kappeln auf dem Kopf, Schirm natürlich nach rückwärts gekehrt, die rechts rauchen auch während des Verzehrs der Eierspeis. Da ist es doch, denke ich, recht gut, ein Neutraler zu sein. Schön in der Mitt'n und net anstreifen müssen. Das heißt, nicht mehr als notwendig. Ein freundlicher Blick dahin, ein kleines Lächeln dorthin, das genügt. Mit diesen Gesten der Verbindlichkeit halte ich mir die Leute von meinem Tisch fern und wenn einer kommt und Salz verlangt, ich geb's ihm. G'hört ja schließlich nicht mir, da hat der Androsch seine Hand drauf. Aber Feuer, pardon, ich hab kein's. Für Feuern ist der andere Tisch zuständig.

Ich genieße es also auch hier, ein Neutraler zu sein, allerdings wie bisher, auch kein Meinungsloser. Zu sehr sitzt mir der Schrecken der Jahre 38 bis 55 unseres ausgehenden Jahrhunderts in den Knochen. Deutsche kommen, man grüßt sich, Schweizer, man nickt sich zu. Das Personal ist freundlich, korrekt und sehr auf Distanz bedacht. Franzosen aller Hautfarben. Wen mögen die wohl lieber? Den, der mehr zahlt? Den, der bessere Trinkgelder gibt? Da sind wir uns übrigens recht ähnlich, die Gastgeber an der Grenze Frankreich-Italien und wir, in der Alpenrepublik. Aber wenigstens hier auf der Terrasse verhalten auch sie sich so wie wir. Neutral. Und fahren, so scheint mir, recht gut damit.

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