„Nicht ein Museum hüten, sondern einen Garten pflegen“

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Das Titelzitat – aus dem Mund von Johannes XXIII. anlässlich des II. Vatikanums – beschreibt auch die Schwierigkeit der Gegenwart, die Zukunft der Kirche anzudenken. Vielfältige Reformen sind notwendig. Doch wie können diese in Gang kommen?

Eine Sprache zu finden, die spirituell Suchende erreicht, Vielfalt zuzulassen, Ämter neu zu definieren und die Jugend einzubinden, waren die Wünsche der Teilnehmer des Symposiums „ZukunftsBilder“.

Fery Berger, Gründer der „Weizer Pfingstvision“ und des „Wegs der Hoffnung“ – DIE FURCHE berichtete – ist der nicht unumstrittenen Meinung, es brauche „Gurus“, während Veronika Prüller-Jagenteufel die „Chance“ in der Ratlosigkeit sieht. Berger präzisierte seinen Guru-Begriff mit „Männer und Frauen, die aus einer Gotteserfahrung heraus leben und diese auch weitervermitteln können“, als Schlüssel für ein Morgen der Kirche. Diese Menschen, die für ihr eigenes Leben eine starke Vision hätten und dadurch beispielhaft wirken könnten, nennt er nach indischem Vorbild „Gurus“.

Für Prüller-Jagenteufel, Chefredakteurin der Fachzeitschrift Diakonia, ist das größte Hindernis auf dem Weg zur Erneuerung die Schwierigkeit der Kirche, „wirklich Neues“ zu denken. Die Lösung liegt für sie daher im Zulassen von Ratlosigkeit: „Die kirchlichen Organisationen tun viel zu viel und wissen oft gar nicht mehr, was sie mit diesem Tun eigentlich bewirken wollen. Deswegen muss bewusst eine Pause eingelegt werden, um der Ratlosigkeit Raum zu geben und Neues aufkommen zu lassen.“ Eine bloße Verbesserung des Bestehenden reiche nämlich bei Weitem nicht aus.

Glaube für Anfänger

Dass eine reine „Imagepolitur“ nicht die Lösung ist, findet auch Fery Berger. Für ihn ist klar, dass die Kirche auf den verschiedensten Ebenen neue Wege beschreiten muss. Von innen her müsse sich einiges ändern. So wäre der Spiritualität ein hoher Stellenwert einzuräumen. Für die Kirche von morgen bedeute dies, dass neben den „Gurus“ auch heilige Orte und Möglichkeiten zur Glaubenserfahrung gebraucht würden. Berger: „Gemeint sind damit spirituelle Wege und Zentren. Aber auch Kurse, die eine Einführung in das Geheimnis Gottes sind, also Erklärungen, wie Glaube funktioniert.“ Er habe durch sein Engagement bei der Weizer Pfingstvision gelernt, dass spirituelle Erfahrungen mindestens genauso zentral wie theologische Erklärungen seien. Erst dadurch entstehe Solidarität unter den Gläubigen, die auch zu politischer Bewegung führen könne.

Veronika Prüller-Jagenteufel ist überzeugt, dass es keine klare Linie mehr gibt zwischen denen in der Kirche und denen, die außerhalb sind. Es sei mit immer größer werdender Fluktuation zu rechnen. Um mit diesem Hin und Her zurechtzukommen, sei eine neue Theologie nötig: „Diese wird mit neuen Sinnfragen konfrontiert sein und muss auch Antworten geben können“, ergänzt Berger. Eine Auseinandersetzung mit dem Atheismus ist nach seiner Überzeugung daher unvermeidlich, Alternativen für das auf Konsum ausgerichtete Leben müssten geboten werden. Die Kirche von morgen brauche gleichermaßen Diakonie wie Politik.

Nichtssagend und angsterfüllt

Prüller-Jagenteufel: „Involviert sein werden diejenigen, die sich in verschiedenste Arten von Kommunikationsprozessen einbinden lassen.“ Zusammenarbeit dürfe sich aber nicht auf Innerkirchliches beschränken. Ein Zusammenkommen mit spirituell Suchenden und Nichtglaubenden sei ebenso wie interreligiöser Dialog und interspirituelle Erfahrungen eine Chance, neue Ansätze zu finden. Eine dialogbereite Kirche allein reiche aber nicht aus. Es müssten auch Wege für die Praxis gefunden werden. Viel zu oft seien die kirchlichen Formulierungen nichtssagend. Gegen „eine Kirche für die Menschen“ werde es zwar kaum Einwände geben, im Alltag weiterhelfen könnten solche Schlagwörter allerdings auch niemandem. Vor diesem Hintergrund ist auch der Begriff „Angstkirche“ zu verstehen, der in den Arbeitskreisen des Symposiums aufkam: Aus Angst vor zu klaren Schritten würden nicht nur die begonnenen Dialoge nicht vorangetrieben, sondern die Furcht vor Neuerungen lähme die Kirche als Ganzes.

Fery Berger meint, dass Konservative wie Progressive mit der heutigen Gestalt von Kirche unzufrieden seien und so nicht an sie glauben könnten. Er sieht in der Zukunft der Kirche eine wirkliche, große Überraschung, ähnlich der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren. (Astrid Mattes)

Bild: Fery Berger (Mitte) und sein Team von der „Weizer Pfingstvision“. – Lesen Sie nächste Woche in der Reihe zum Symposium „ZukunftsBilder“: Migration in Europa.

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