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Das Rätsel um den Kefermarkter Altar

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Es ist zwar eine unbestreitbare Tatsache, daß Künstler seit dem Ausgange des Mittelalters neben den eigentlichen Selbstbildnissen auch eine Art von versteckten Eigenbildern hinterließen, indem sie eine der von ihnen dargestellten Personen mit ihren eigenen Gesichtszügen ausstatteten. Hinweise auf solche Porträts werden aber von der kunstgeschichtlichen Forschung stets mit einer gewissen Zurückhaltung aufgenommen. Spielt) doch bei einer derartigen Feststellung immer die' subjektive Auffassung eine nicht unbedeutende Rolle und was die Sicherheit des Ergebnisses anbelangt, kann wohl selten mehr als ein größerer oder geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Dies gilt namentlich dann, wenn kein gesichertes Selbstbildnis zur Kontrolle vorhanden ist. Mag demnach auch die Beschäftigung mit einem solchen Gegenstand zunächst als eine undankbare Aufgabe erscheinen, in der Folge kann sie zu einer wertvollen Hilfe für den wissenschaftlichen Fortschritt werden. Ist nämlich die Kunstforschung einmal auf ein bestimmtes Künstlerporträt aufmerksam gemacht, so ist wenigstens die Möglichkeit gegeben, daß dieses auch anderwärts gefunden und beachtet wird, vielleicht an einer Stelle, wo die Identifizierung des Künstlers leichter gelingt. Aus diesem Bestreben heraus wurden die nachfolgenden Ausführungen geschrieben und danach mögen sie beurteilt werden.

Es ist den Kunsthistorikern, die dem St.-Wolfgang-Altar in Kefermarkt eingehende Studien “gewidmet haben, nicht entgangen, daß unter den 79 Figuren und 2 Büsten des Altarwerkes einige Porträtcharakter aufweisen. Es gilt dies namentlich von der Figur des Kirchenlehrers mit dem Barett, Doktorkragen und Ärmelmanschetten2). Man darf in dieser mit besonderer Liebe ausgearbeiteten Nebenfigur wohl den im Testament3) des Stifters Christoph von Zelking wiederholt genannten „herrn pharrer Wernhardin Vitsehl“ vermuten. Oberchristi meint, daß der Künstler in der bartlosen Christophorusfigur des Hauptschreines die Züge des Stifters festgehalten habe 4).

Und wo bleibt der Meister? Soll er bei seinem Geschick, Köpfe ausdrucksvoll und lebenswahr zu gestalten, auf sich selbst ganz vergessen haben? Ein Meisterzeichen oder eine Namensbezeichnung wurde bei der Renovierung des Altars, obwohl man darauf achtete, nirgends entdeckt. Aber auf dem rechten Flügel unten, wo der Tod Mariens dargestellt ist, finden wir unter den um das Sterbebett versammelten Aposteln eine Figur, die in der Kopfbedeckung, Haarbehandlung und in der Gebetshaltung von den anderen Apostelbildern sich deutlich abhebt und ausgesprochene Porträtzüge zeigt5). (Der dritte Kopf in der obersten Reihe von links gezählt.) Man beachte nur die vollen Wangen, das Doppelkinn, die charakteristisch geformte Nase und die fleischigen Lippen! Das Wams ist mit einem Stehkragen versehen und mit einem Knopf oben geschlossen. In der Apostelreihe nimmt er den letzten Platz ein und betet allein, was besonders beachtenswert ist, in deutscher Weise mit gefalteten Händen. Ubell hat das porträthafte an dieser Figur richtig erkannt, da er von einem „realistischen Bauernporträt“ spricht6). Aber was hätte den Künstler veranlassen können, an dieser Stelle einen Bauern zu verewigen, dem jede Beziehung zu dem Kunstwerke fehlte? Viel näher liegt es, daran zu denken, daß der B i 1 d s c h n i t z e r für sich selbst das Plätzchen wählte. Hier konnte sich der Meister, ohne aufdringlich zu sein, das Fortleben in einem Werke sichern, das Jahre hindurch seine geistige und körperliche Schaffenskraft in Anspruch genommen hatte. Es entsprach diese Art der Verewigung wohl auch dem religiösen Sinn des Künstlers, aus dessen leise geöffnetem Mund man förmlich die Bitte vernimmt: Möge mein Tod dem ihrigen gleichen!

Die geschnitzten Innenflügel sind, wie Hubert Wilm 7) über den Betrieb in ein Bildhauerwerkstätte der gotischen Zeit schreibt, ebenso wie der Schreininhalt in der Regel eigenhändige Arbeiten des Werkstattoberhauptes. Da die markanten Züge des heiligen Petrus im Schrein auch auf unserem kleinen Flügelrelief wiederkehren, so wird dadurch die von Wilm aufgestellte Regel bestätigt und zugleich die Gewähr geboten, daß uns in dem Bildnis das Porträt des Meisters selbst, nicht eines Gesellen erhalten ist. Gerne möchten wir auch seinen Namen kennen. Eine sichere Lösung dieser Frage ist leider noch ausständig. Meines Erachtens ist die neuere Kunstforschung auf dem richtigen Wege, wenn sie in Passau, das im 15. Jahrhundert und zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit seinem Bischofssitz und seiner angesehenen Dombauhütte das kirchliche und künstlerische Leben im weiten Umkreis beherrschte, die Bildhauerwerkstatt sucht, aus der der Kefermarkter Altar hervorgegangen ist. Die Maler- und wohl auch die Bildhauerwerkstatt Kriech-paum erfreute sich dort eines weitreichenden Rufes. Ulrich Kriechpaum übernimmt um 1470 die Lieferung eines großen Flügelaltars für das Benediktinerstift Göttweig, der um 1510 aufgestellt wurde. Von Stephan Kriechpaum stammt der Flügelaltar in Maria-Laach am Jauerling aus dem Jahre 1518 8). Es scheint, als ob gerade in dem letztgenannten Altarwerk noch Werkstattsüberlieferungen vom Erbauer des Kefermarkter Altars her lebendig wären9). Möge es in nicht allzuferner Zeit gelingen,einen großen Meister der spätgotischen Holzbildnerei, den Schöpfer des „Wunders von Kefermarkt“, dem Bilde und Namen nach einwandfrei zu bestimmen!

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