6665425-1960_30_23.jpg
Digital In Arbeit

Das Juwel von Kefermarkt

Werbung
Werbung
Werbung

Vor mehr als hundert Jahren schrieb Adalbert Stifter in einem Brief an Antonie von Arneth:

. .. Soeben wird unter meiner Leitung der aus Holz geschnitzte Altar der Kirche zu Kefermarkt restauriert. Dieser Altar ist eines der größten Kunstwerke des deutschen Volkes . ; .“ Daß dieses herrliche Kunstwerk trotz seines Ranges nicht so populär wurde wie die Altäre des Veit Stoß zu Krakau, Riemenschneiders Werke in (Teglingen und Rothenburg oder Pachers Flügelaltar in St. Wolfgang, versucht Herbert Lange in seinen tiefschürfenden Darlegungen mit der Weltabgeschiedenheit des kleinen oberösterreichischen Ortes Kefermarkt und auch damit zu erklären, daß der Schrein seine Fassung aus Gold und Farbe verloren hat, so daß die Verlockung durch äußere Prachtentfaltung entfällt.

Dennoch ist die Innigkeit und künstlerische Ausdruckskraft der Gestalten, die durch die schlichte Farbe alten Lindenholzes zu uns spricht,' unvergleichlich und drückt aus, was schon Stifter empfand: „... ein Adel, eine Anspruchslosigkeit, eine

Selbstgeltung, eine Strenge und Keuschheit, die unser Herz mit einem Zauber von Rührung und Bewunderung umfängt.“

Die dreischiffige, fünfjochige Staffelkirche von Kefermarkt ist eine Stiftung des Christoph von Zelking, dessen Geschlecht seit dem 14. Jahrhundert das nahegelegene Schloß Weinberg bewohnte, und es steht fest, daß der Altar mit Predella, Schrein und Schreinwächtern und dem Gespreng im Jahre 1497 bereits aufgestellt war.

Herrschaft Weinberg und die Kirche machten mannigfache Schicksale mit, die dem Altar zum Schaden gereichten. Besonders arg war, daß die farbigen mittelalterlichen Glasfenster des Presby-teriums durch gewöhnliches Fensterglas ersetzt wurden, durch dps die Sonne ungehindert eindrang und ihre verheerende Kraft entwickeln konnte; zahllose Verzierungen zerfielen, Sprünge und Risse entstanden, starker Wurmfraß kam hinzu. Damit nicht genug, wurden Teile des Altars, nachdem er bereits Figuren durch Verkauf eingebüßt haben dürfte, mit Leimfärbe angepinselt und die Hauptgestalt des heiligen Wolfgang in sinnwidriger Weise grob vergoldet und mit schlechten Farben belegt. Auf Betreiben Stifters wurde 1852 eine Restaurierung durch den Bildschnitzer Johann Rint aus Linz eingeleitet, die bis 18 5 5 dauerte. Im Verlauf dieser Arbeit wurden weit mehr als tausend kleine Details, hauptsächlich Verzierungen und Ornamente, ersetzt und die üblichen Anstriche und Vergoldungen entfernt. Dabei war es ein Glück, daß von den Figuren keine wesentlichen Teile fehlten. Es wird vermutet, daß bei der gewaltigen Reinigungsprozedur auch sämtliche Reste der ursprünglichen farbigen Fassung mit vernichtet wurden. Der Kampf gegen den Holzwurm hatte nur vorübergehende Erfolge aufzuweisen, erst 1929, als die ganze Kirche acht Tage lang Unter Blausäuregas gesetzt wurde, konnte der Schädling gänzlich vernichtet werden. Die jüngsten pflegerischen Maßnahmen wurden 1959 geleistet, wodurch Marga Pollak die Möglichkeit hatte, von den Gerüsten aus Nahaufnahmen von größter Innigkeit zu machen und an dem Meisterwerk „das Wunder der Nähe“ für alle Betrachter des vorliegenden Prachtbandes zu erschließen.

Ob es jemals gelingen wird, den wahren Schöpfer des Altars, der mit seinen fast 80 Figuren voll von unerschöpflichem Formenreichtum ist, festzustellen, ist fraglich. Wir wollen auf die verschiedenen Theorien nicht im einzelnen eingehen, doch es mag vom Rang des Schnitzwerkes künden, daß es zeitweilig sowohl Tilman Riemenschneider wie Veit Stoß und Michael Pacher zugeschrieben wurde! Die Autorschaft liegt heute mehr denn je im Dunkel der Geschichte, der Berg von Literatur, der seit der Wiederentdeckung durch Stifter darüber verfaßt wurde, ist für den Laien verwirrend. Doch wichtiger als alle wissenschaftlichen Fragen mag für uns sein, daß dieses großartige Werk auf österreichischem Boden steht und Weltrang besitzt. Der wunderbare Bildband wird seinen Teil dazu beitragen, daß immer mehr Menschen aus dem In- und Ausland nach Kefermarkt finden, das nur 44 Kilometer von Linz entfernt liegt. Johann A. Bo eck

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung