Teufel Amor hat nicht getroffen

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Das Wiener Konzerthaus porträtiert den Komponisten und Klarinettisten Jörg Widmann. Zum Auftakt hätten die Philharmoniker mit Christian Thielemann eine Novität vorstellen sollen. Doch das Werk wurde zu spät fertig.

Begonnen hat es in Köln. Die Verantwortlichen der Kölner Philharmonie fragten Christian Thielemann, ob er sich vorstellen könnte, seinen Beethoven-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern mit dem einen oder anderen zeitgenössischen Stück zu kombinieren. Dem Dirigenten gefiel die Idee. Zusammen mit dem Amsterdamer Concertgebouw, dem Pariser Théâtre des Champs-Élysées und der Wiener Konzerthausgesellschaft erteilten die Kölner dem Münchner Komponisten Jörg Widmann den Auftrag, für ein Konzert mit den Beethoven-Symphonien Nr. 7 und Nr. 8 ein entsprechendes Stück zu komponieren.

Für Widmann eine besonders reizvolle Aufgabe. Hatte er doch kürzlich für diese Symphonienkombination bereits ein Werk geschrieben: die Ouvertüre „Con brio“ für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Im Vorjahr haben die Bayern diese Novität mit Mariss Jansons am Pult im Wiener Musikverein vorgestellt.

Über die Lektüre von Hölderlin war Widmann auf das Fragment eines Schiller-Gedichts gestoßen. Vor allem der hymnische Ton faszinierte ihn. „Dieses kurze Fragment ist unglaublich musikalisch. Die Metaphorik hat mich nicht mehr losgelassen – und der scheinbare Gegensatz zwischen Amor, der positiv konnotiert ist, und dem Teufel“, erklärt er den Titel seines neuen Orchesterstücks: „Teufel Amor“. „Jeder Mensch kennt das: dass das eine nicht immer nur das eine ist, sondern auch im anderen steckt“, skizziert er die Grundhaltung dieses Werks, für das er noch eine zusätzliche Inspirationsquelle nennt: die Platteneinspielung von Beethovens Siebenter mit den Wiener Philharmonikern unter Carlos Kleiber.

Mit der Uraufführung von „Teufel Amor“ hätte diesen Freitag die bis in den April reichende Widmann-Personale im Wiener Konzerthaus beginnen sollen. Dazu kommt es nicht. Denn Stück und Orchestermaterial wurden zu spät fertig, um es zu diesem Termin uraufführen zu können. Ein schwerer Schlag nicht nur für die Wiener Konzerthausgesellschaft, sondern auch die anderen Veranstalter.

Egmont statt Amor

Denn dieses Beethoven-Programm mit Jörg Widmanns groß besetztem, etwa zwanzigminütigem Opus hätte auch bei den übrigen Auftraggebern, also in Amsterdam, Paris und Köln, in der Luxusbesetzung Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann in den kommenden Tagen aufgeführt werden sollen. Statt Widmann wird nun die „Egmont“-Ouvertüre gespielt. Die Antwort auf die Frage, wann und wie „Teufel Amor“ trifft, bleibt damit wohl noch einige Zeit unbeantwortet.

Ansonsten gibt es keine Zeichen, dass die Widmann-Personale nicht wie geplant abläuft. „Das finde ich etwas ganz Besonderes, weil dort die verschiedenen Facetten in sehr schöner Weise gezeigt werden“, kommentiert der 36-Jährige die ihm gewidmete Konzertreihe. „Ich spiele mit dem Wiener Kammerorchester unter Sir Neville Marriner das Mozart-Klarinettenkonzert, das Scharoun-Ensemble spielt mein Oktett und das von Schubert, worüber ich auch reden werde, das Hagen-Quartett, mit dem ich vor Jahren das Mozart-Klarinettenquintett gespielt habe, macht mein zweites Streichquartett, Yefim Bronfman führt meinen Klavierzyklus ‚Elf Humoresken‘ auf“, skizziert er das vorgesehene Programm. Ergänzt wird es durch ein von ihm dirigiertes Porträtkonzert mit dem Collegium Novum Zürich.

Ursprünglich kommt Widmann von der Kammermusik. Er hat in München und an der Juilliard School New York Klarinette studierte, parallel dazu Komposition. Seine berühmtesten Lehrer waren Hans Werner Henze und Wolfgang Rihm, der für ihn auch ein Klarinettenkonzert komponiert hat. 1990, noch als Schüler, machte Widmann mit seinem Musiktheater „Absences“ bei der Münchener Biennale auf sich aufmerksam. 2003 wurde sein für die Münchener Opernfestspiele geschriebenes Werk „Das Gesicht im Spiegel“ von der Zeitschrift Opernwelt zur wichtigsten Uraufführung der Spielzeit 2003/04 gewählt. An der Musikhochschule Freiburg hat er eine Professur für Klarinette und Komposition inne.

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