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Bedenken gegen ein Priesterseminar

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Eine römisch-katholische Erneuerungsbewegung, 1993 Anlaß für ein Treffen von Bischöfen in Wien, führt hier nun ein eigenes Seminar. Ein furche-Mitarbeiter stellt dem Rektor einige kritische Fragen.

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Eine römisch-katholische Erneuerungsbewegung, 1993 Anlaß für ein Treffen von Bischöfen in Wien, führt hier nun ein eigenes Seminar. Ein furche-Mitarbeiter stellt dem Rektor einige kritische Fragen.

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Der Vorgänger des jetzigen Erz-bischofs von Wien, Kardinal Hans Hermann Groer, bedauerte in seiner Begrüßung der Bischöfe, die sich am 14. April 1993 im Wiener Hotel Intercontinental versammelt hatten, daß die Einladung zu diesem Treffen nicht von ihm ausgegangen sei. Er begründete diesen Tatbestand mit folgenden Worten: Hier in Wien gibt es (noch) kein Diözesanse-minar für die künftigen Priestermissionare ... Ich muß noch auf die Erfüllung einer Bedingung warten: auf ein Zeichen jener Zustimmung des diözesanen Presbyteriums, dessen auch ein Bischof nicht ohne weiters entbehren kann, wenn er ein Priesterseminar errichten will. Im übrigen gibt es hier in Wien zwölf Seminaristen des Neokatechumenats: Sie wohnen in zwölf Familien, die den neokatechumenalen Weg gehen und leben. Somit gibt es zwar nicht ein Diözesanseminar, wohl aber zwölf Klein-Seminare, „Mini-Seminare" des Neokatechumenats in Wien.

Nun fand sich - für die meisten völlig überraschend - in der Oktober-Ausgabe des Wiener Diözesanblattes (unter der Nummer 173) die Mitteilung, daß Erzbischof Christoph Schönborn ein „Diözesanes Missionskolleg zur Priesterausbildung für die Neuevangelisierung" (1120 Wien, Hetzendorferstraße 117) errichtet hat. In den Erläuterungen dazu heißt es: „Seit drei Jahren studiert eine Gruppe von Kandidaten für den Presbyte-rat, die ihre Berufung durch den neokatechumenalen Weg' gefunden haben, bei uns in Wien. Sie waren bisher bei Familien untergebracht. Ab diesem Wintersemester können sie ein Gemeinschaftsleben in einem eigenen Haus beginnen.

Im Priesterrat war immer wieder von diesen Studenten und ihrem Status die Rede. Wenn ich mich nun entschlossen habe, ihnen das Statut eines ,Diözesanen Missionskollegs' zu geben, so bin ich mir durchaus der Bedenken und der Schwierigkeiten bewußt, die es im Umfeld des neokatechumenalen Weges' geben kann und gibt. Ich darf aber auch meine und unser aller Verantwortung für die Gaben und Charismen, die der Kirche geschenkt werden, nicht vernachlässigen ... Es soll darüber auch stets offen informiert werden."

Im Sinne dieser Offenheit käme mir eine Antwort vom Rektor des neuen Hauses, Giuseppe Rigossi, auf einige Fragen sehr gelegen, um die Bedenken und Schwierigkeiten, von denen der Erzbischof sprach, zu beseitigen. Es ist ja in weiten Kreisen bekannt, daß bereits mehrere Bischöfe in ihren Diözesen die Tätigkeit des Neokatechumenats (=NK) untersagt haben.

Das NK wurde 1964 von dem spanischen Maler Francesco („Kiko") Ar-guello gegründet und beansprucht für sich, eine kirchliche Erneuerungsbewegung zu sein. Allerdings gab es bis jetzt überall dort, wo das NK in das Pfarrleben eindrang, zahlreiche Spannungen, die sehr häufig dazu führten, daß sich treue Pfarrmitglieder zurückzogen oder sich in benachbarten Pfarren ein neues Betätigungsfeld suchten. Einige Kämpfernaturen gingen an die Öffentlichkeit oder bombardierten das zuständige Pastoralamt - wie in Wien - mit Eingaben und Beschwerden. Genützt hat das alles, wie man sieht, sehr wenig, und man fragt sich, woher diese Spaltungstendenzen rühren.

Der Insider Bicardo Bläzquez stellt in seinem Buch „Die neokatechumenalen Gemeinschaften. Ein Weg zur Einführung in den christlichen Glauben" folgende merkwürdige Behauptung auf (Seite 40): Die neokatechu-menale Gemeinschaft ist die Kirche Jesu Christi, die sich an einem bestimmten Ort verwirklicht.

Die Formulierung „die Kirche" schließt automatisch alle aus, die mit den Praktiken des NK nicht einverstanden sind, sodaß die Konsequenz für die meisten nur lauten kann: auswandern! Aus diesem Tatbestand ergibt sich meine erste Frage: Ist das NK bereit, sich nur als eine von vielen Gemeinschaften zu verstehen, die miteinander Kirche bilden?

Sollte auf diese Frage ein eindeutiges Ja erfolgen, 'dann müßte geklärt werden, ob man dazu bereit wäre, auf einen eigenen Sonntagsgottesdienst und eine parallele Osternachtfeier zu verzichten, zu denen ausschließlich NK-Mitglieder Zutritt haben. Während zur Zeit der Urkirche oft an einem einzigen Tag Umkehr, Taufe und Geistausgießung stattgefunden haben, dauert nach Ansicht der Verfechter des neokatechumenalen Weges der Glaubensprozeß mindestens fünfzehn Jahre. Der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner hat bereits diese Frage der Zwangsbeglückung angeschnitten, die ich nun folgendermaßen formuliere:

Wie läßt sich die Forderung, einen mindestens fünfzehnjährigen Glaubensweg beschreiten zu müssen, mit der Einmaligkeit und Verschiedenheit jedes einzelnen vereinbaren, mit der Gott jeden von uns ausgestattet hat?

Alles, was Spaltung erzeugt, kann nicht vom Heiligen Geist sein, hat einmal ein bedeutender Seelsorger gesagt. Daß es dazu kommt, liegt für mich unter anderem auch in der Geheimniskrämerei begründet, die das NK betreibt. So ist - nach Bläzquez -für alle, die den neokatechumenalen Weg gehen, eine „Arkandisziplin" einzuhalten (Seite 64), das heißt keiner weiß genau, worauf er sich da einläßt. Es wird praktisch verlangt, daß man einen Blankoscheck ausstellt, der nach fünfzehn Jahren eingelöst wird. Bläzquez begründet diese Vorgangsweise mit „Diskretion": ... aus Ehrfurcht vor dem Weg selbst, vor den Menschen, die diese Stufen durchlaufen und vor denen, die nach ihnen kommen.

Jeder, der sich intensiver mit dem NK beschäftigen wollte, weiß, wie schwierig es ist, an irgendwelche Informationen heranzukommen. Meine dritte Frage zielt auf diesen Punkt: Wie vereinbaren Sie das Wirken Jesu und seiner Jünger, die vor einer breiten Menge über Glaubensinhalte sprachen, mit Ihrer Geheimnistuerei?

In meiner letzten Frage geht es um ein Zitat „Kikos", das aus seiner Rede vor dem Papst am 7. Jänner 1982 in Rom stammt: „Deshalb, Vater, möchte ich mich - wenn Ihr mir das erlaubt - im Namen von ihnen allen vor Euch hinknien, und alle diese Brüder mit mir, als ein kleines Zeichen der vollen Anhänglichkeit an Petrus.

Denn ich, Vater, habe ihnen eine Sache gesagt: Durch meine Erfahrungen in so vielen Nationen und durch die Leiden, die ich durchlitten habe, habe ich begriffen, daß Gott seinen Bischöfen gehorcht, Gott selbst gehorcht ihnen. Das hat mich so sehr beeindruckt, daß ich gedacht habe: Wenn Gott selbst ihnen gehorcht, wieso sollten dann ich und wir alle ihnen nicht gehorchen?"

Ich habe mir erlaubt, während einer Veranstaltung des Katholischen Akademikerverbandes den vom NK entsandten Referenten Giovanni Guggi um Auskunft zu ersuchen, doch seine unklaren Ausführungen hat kein Mensch im Auditorium verstanden. Daher meine Frage: Wie erklären Sie die Aussage Kikos?

Es gäbe natürlich noch eine ganze Reihe von offenen Problemen, doch ich wäre schon zufrieden, wenn ich auf die vier hier aufgeworfenen Fragen im Sinne der vom Erzbischof proklamierten Offenheit eine klare und eingehende Antwort erhielte. Hoffentlich ergeht es mir und den Lesern dieser Zeitung nicht so wie dem italienischen Bischof, der im Bahmen der eingangs erwähnten Versammlung im Intercontinental von der engsten Mitarbeiterin Kikos, Frau Carmen Hernandez, folgendes zu hören bekam, als er eine Frage stellen wollte (ob der Ton mit der eben zitierten Aussage des NK-Gründers im Einklang steht?): „Sie können die Bewegung nur kennenlernen, indem sie mit ihr leben und sie akzeptieren. Wer sie nur von außen sieht, versteht nicht und kann niemals verstehen."

Der Autor ist

freier Journalist in Wien.

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