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Dank an Wilhelm Mihlas

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Nun ist Wilhelm Miklas, der edle Oesterreicher und vorbildliche Katholik, in die ewige Freiheit am Throne Gottes eingegangen. Zuvor ist ihm noch die Erfüllung seiner Sehnsucht, ein befreites Oesterreich erleben zu können, zuteil geworden.

Eigenartig verkörpert sich in der Gestalt dieses Mannes die Zeitenwende, in der sich seihe Laufbahn vollzieht. Es ist noch das alte Reich, in dem der Beruf den jungen Mittelschullehrer Miklas, dessen Wiege in Krems an der Donau stand, zuerst nach Triest, dann nach Proßnitz in Mähren, dann nach Waidhofen an der Thaya und Horn führt, als sollte er, der Jugenderzieher, von frühauf die bunte Problematik des Völkerstaates erfassen lernen. Er gehört zur begeisterten Jungmannschaft der christlichsozialen Bewegung, deren Führer 1907 das allgemeine gleiche Wahlrecht und damit die Hauptstellung der liberalen Mächte des alten Staates erstürmen helfen, er ist unter den 98 Abgeordneten, die als die stärkste Partei in das neue erste Volkshaus des allgemeinen Wahlrechtes einziehen, erfüllt von der Größe der obliegenden Aufgabe, nun mit allen Kräften einer umfassenden Staats- und Gesellschaftsreform die Bahn frei zu machen. Wie dann diese Erwartung in den losbrechenden Sprachenkämpfen versinkt, das wird auch das Erlebnis des Reichsrats- und niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Miklas, aber er bleibt in allen Enttäuschungen und in allen sich ringsum vollziehenden Veränderungen sich selbst getreu. Mögen es andere halten, wie sie es wollen, er beschuldigt sie nicht, aber er bekennt sich in der Umsturzzeit, wenn es sich um die Wahl zwischen der alten und einer neuen Staatsform handelt, zu seiner unveränderlichen persönlichen Ueberzeugung, aber auch zu seiner unwandelbaren Loyalität als Staatsbürger der österreichischen Heimat.

Er widerspricht auch dem Neuen nicht, als die erste Berufung eines Bundespräsidenten der Republik als Absage an jede Traditionsgebundenheit erscheint. Doch er gibt ein Beispiel mannhaften Christseins und untadeliger Lauterkeit in seinem, öffentlichen und privaten Leben. Aber seine strengste Erprobung als Oesterreicher und Katholik ist ihm an jenem schrecklichen Märztage 1938 abverlangt, da die nationalsozialistischen Machthaber Deutschlands von ihm, dem Bundespräsidenten, die Auslieferung der legalen Macht, die Berufung einer nationalsozialistischen Regierung begehren und Himmler erscheint, um irgendwie seine Absetzung zu erreichen, da Miklas ja den letzten, noch vorhandenen Widerstand darstellt, der dem Anschluß entgegenstehe. 200.000 Mann stehen zum Einmarsch bereit. Ihm, dem Bundespräsidenten, wird mit den Konsequenzen gedroht, wenn er noch länger zögere, das vorgelegte „Wiedervereinigungsgesetz“ zu unterschreiben, damit seine Zustimmung zum Anschluß zu beurkunden und als Bundespräsident Oesterreich dem Zugriff Hitlers auszuliefern.

Zwei Stunden später brausen über Wien bereits die Wolken deutscher Kampfflugzeuge. Ringsum ist blutiger Ernst. Doch Miklas hat nicht unterschrieben. Vereinsamt und allein.

Der einzige Sieg, den der Angreifer errang, war ein Triumph der rohen Gewalt, für Seyß-Inquart eine Kanzlerschaft errungen zu haben, die niemand ernst nahm. Wer damals aus der Nähe die Ereignisse vom 11. und 12. März erlebte, der dankte Wilhelm Miklas inbrünstig dafür, daß er, der Tapfere, bis zum letzten die Ehre Oesterreichs verteidigt hat.

Das soll auch jetzt an seiner Bahre gesagt sein. Aus denselben Empfindungen heraus mag Dr. Renner sich bestimmt gefühlt haben, die fehlende gesetzliche Altersfürsorge für den gewesenen greisen Bundespräsidenten durch einen ritterlichen Akt zu ersetzen.

Das Begräbnis des Verewigten findet am Samstag, dem 24. März 1956, um 15 Uhr nach feierlicher Einsegnung auf dem Döblinger Friedhof statt.

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