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Dieser Platz bleibt fiir immer leer

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Mitschüler, Eltern und Lehrer betrauern den tragischen Tod von drei Schülern, verursacht durch einen völlig betrunkenen Autofahrer. Die Diskussion um die Herabsetzung der Promillegrenze flammt jetzt wieder auf.

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Mitschüler, Eltern und Lehrer betrauern den tragischen Tod von drei Schülern, verursacht durch einen völlig betrunkenen Autofahrer. Die Diskussion um die Herabsetzung der Promillegrenze flammt jetzt wieder auf.

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Mehrere Autobahnkilometer legte der betrunkene Autofahrer zurück, bevor er den Bus der Basketballmannschaft des BG und BBG Biondekgasse aus Baden mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 180 Stundenkilometern abschoß.

Verweinte Augen, angezündete Kerzen, viele Briefe und Plakate lassen die Trauer und den Schmerz der Mitschüler, Eltern und Lehrer erkennen. Bis vor wenigen Tagen war die Farbe Schwarz für die Badener Basketballmannschaft „Black Jack's” ein Zeichen des starken Mannschaftsgeistes, des Einsatzes und der Fairneß.

Doch seit dem tragischen Unfall auf der Westautobahn, verursacht durch einen 27jährigen, hat die Farbe Schwarz für die Überlebenden, die Angehörigen und Freunde eine neue, viel schmerzhaftere Bedeutung. Sie trauern um junge unschuldige Todesopfer. Klassenkameraden kommen plötzlich nicht mehr zur Schule. Ihr Sitzplatz bleibt für immer leer.

Der alkoholisierte Fahrer blieb indessen beinahe unverletzt, wurde auf freiem Fuß angezeigt und vom Unfallort mit dem Taxi nach Hause geschickt. Vor weiteren rechtlichen Schritten ist er zwar nicht gefeit, doch ähnliche Fälle aus der Vergangenheit zeigen, daß die Strafen die Vorstellungen der Betroffenen und auch der restlichen Bevölkerung aufgrund ihrer Milde bei weitem nicht erfüllen.

„Es muß aufhören, daß betrunkene Baser ihr Auto benutzen können, um Kinder um ihr Leben zu bringen”, faßte die Direktorin der Schule, Erika Perdula, die Forderungen der Betroffenen in einem Badiointerview zusammen. *

Der Vater eines überlebenden Basketballspielers, Budolf Berger, wird dabei schon etwas konkreter: „Härtere Strafen helfen in diesem Fall nichts.” Er sehe die Lösung eher in einem längeren Führerscheinentzug und strengeren Alkoholverboten. Mit etwas mehr Abstand, aber ebenso großer Betroffenheit beurteilt die Salzburger Direktorin Sigrid Benesch die Situation. Vor ungefähr zwei Jah ren hat ein betrunkener Autolenker, nachdem ihm Führerschein und Au-toschlüssel abgenommen worden sind, ihre Tochter am Gehsteig angefahren. Das Mädchen verstarb wenige Tage später im Krankenhaus.

Im Gespräch mit der Furche erklärt die Direktorin der Volksschule Gnigl in Salzburg: „Es muß ins Bewußtsein der Leute kommen, daß man als Autofahrer keinen Alkohol trinkt.” Die Hoffnung auf eine Änderung der Gesetze habe sie schon längst aufgegeben. „Das Vertrauen in eine sachliche Politik habe ich bei dem Mißglücken der Abstimmung über die Absenkung von 0,8 auf 0,5 Promille verloren”, läßt uns die Direkte rin enttäuscht wissen. Privat seien die Politiker zwar sehr verständnisvoll, doch wenn es um ihre Verantwortung gehe, müßten sie sich eben wieder nach der Parteilinie richten.

Benesch konnte vor allem nicht begreifen, daß die Politiker bei dieser Entscheidung wirklich „über Leichen gegangen sind”. Jeder von ihnen habe nämlich von den Prognosen gewußt, die besagen, daß das Herabsetzen der Promillegrenze die Zahl der Verkehrstoten pro Jahr um sieben Menschenleben senken würde. Ganz zu schweigen von den tausenden Verletzten. Die engagierte Mutter kann nicht verstehen, daß gegen solche vermeidbaren Unfälle nichts unternommen wird.

„Durch den Tot meiner Tochter wurde mir bewußt, daß die Gesellschaft bei solchen Angelegenheiten nicht nur zuschauen darf”, beschreibt Benesch heute ihre Gedanken. Die Trauer und Wut noch im Bauch, gründete sie nach dem Unfall gemeinsam mit ihren Eltern die „Aktionsgemeinschaft gegen Alkohol am

Steuer”. Der Anstoß dazu kam von einem Lehrer, der einen Auszug jenes Tagebuches in die Hände bekam, das die Mutter über die letzten Tage des Lebens ihrer Tochter verfaßt hatte.

Mit ihrem Einverständnis las der Lehrer die ergreifenden Texte seinen Schülern vor. Bald darauf bekam Benesch Briefe der Jugendlichen, in denen sie aufgefordert wurde, diese wahre Geschichte auch anderen zukommen zu lassen.

Außer der Broschüre, die kurze Zeit darauf erschienen ist, fordert die Volksschullehrerin auch mit Autoauf-klebern zur Vernunft auf. Für Aufmerksamkeit sorgen sollen Fotos des verunglückten Mädchens mit dem Titel „Alkohol am Steuer - Ich bin tot” oder für all jene, die es so hart nicht ertragen, ein Autokieber mit den Worten „Hilf Leben retten - Kein Alkohol am Steuer”.

Sogar Gastwirte konnte Sigrid Benesch von ihrer Aktion überzeugen. Stolz berichtet sie, daß Kellner an ihre „leicht” angeheiterten Gäste die Broschüre mit den Texten über das verstorbene Mädchen verteilen. Als Reaktion auf ihre Mühe bekommt die Volksschuldirektorin regelmäßig Post von Betroffenen und Befürwortern der Aktion. Als Beispiel dafür zitiert sie den Brief eines elfjährigen Mädchens, das ihr folgendes schrieb: „Als ich neun war, starb meine Mutter. Sie war das Liebste, das ich hatte.”

Das Schicksal der 14- und 15jähri-gen Badener Basketballer kann durch dieses Engagement jedoch nicht rückgängig gemacht werden. Die leeren Plätze werden die Mitschüler noch lange an die verstorbenen Jugendlichen erinnern. Nicht eines der Opfer zu sein, war diesmal reiner Zufall.

Die Aufkleber und die Rroschüre sind gegen eine Spende auf das Konto 64)338 der Salzburger Sparkasse (BLZ 20404) unter dem Stichwort „Aktionsgemeinschaft gegen Alkohol am Steuer” zu erhalten. Frau Sigrid Benesch bittet um einen kurzen Hinweis auf dem Zahlschein, welches Material konkret gewünscht wird

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