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Gewalt über Ungarn

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Der Bolschewismus ist kein Leisetreter. Er weiß seine Pläne mit hartnäckiger Rücksichtslosigkeit durchzusetzen, und wenn er auch gelegentlich aus taktisdien Überlegungen eine Politik des Zuwartens betreibt, so bricht doch die eigentliche, auf die totale Vernichtung des Gegners bedachte Machtpolitik immer wieder durch.

Das ist auch in Ungarn nidrt anders. Während Monaten verschanzte sich die Regierung hinter einer undurchdringbaren Mauer des Schweigens. Alle Proteste der kirchlichen Obern wegen der staatlichen Übergriffe gegen die Religionsfreiheit blieben unbeantwortet. Auch das ungeschminkte Schreiben der religiösen Orden und Kongregationen vom 15. April dieses Jahres, in welchem die offene Verfolgung der Kirche gebrandmarkt wurde, löste zunächst keine sichtbare Reaktion aus, wenn auch sicher war, daß die tapferen Männer, welche dieses Dokument unterzeichneten, damit ihr eigenes Urteil gesprochen haben. Ihre Namen werden in künftigen Prozessen der Welt wieder in Erinnerung gerufen werden.

Seit einigen Wochen mehren sich nun die Anzeichen, daß diese Haltung einer feindseligen Passivität der Regierung nur dazu diente, um eine neue, wenn möglich entscheidende Aktion gegen die Kirche vorzubereiten. Der neue ungarische Kultusminister Revai enthüllte diese Absicht anläßlich seiner in der ganzen Welt zitierten Rede mit zynischer Offenheit, als er seinen Parteigenossen die Frage vorlegte: „Hat das ungarische Volk überhaupt vier religiöse Männerorden nötig? Wem dienen diese Franziskaner, Karmeliter, Serviten und Salesianer? Brauchen wir in einer Volksdemokratie-alle möglichen Schwesternkongregationen, die auf Kosten des Volkes ihr Dasein fristen?“ Von diesem Zeitpunkt an war es klar, daß die Kommunistische Partei mehr denn je entschlossen ist, die katholische Kirche zur Unterwerfung zu zwingen, beziehungsweise ihre Führer, sofern sie sich dieser Unterwerfung widersetzen sollten, auszuschalten.

Um nach außen den Ansdrein zu erwecken, daß der ungarische Staat grundsätzlich die Freiheit der Kirche nicht anzutasten wünscht, gehen die Tendenzen zunächst vor allem dahin, vom Episkopat die Unterschrift zu einem von der Regierung ausgearbeiteten „Modus vivendi“ zu erzwingen. Das Vorgehen gegen die Orden steht damit in direktem Zusammenhang. Da die Regierung weiß, daß der ungarische Episkopat geschlossen und einig ist und auch durch Maßnahmen gegen einzelne seiner Vertreter nicht eingeschüchtert werden kann, mußte der Angriff auf breiterer Front vorgetragen werden. Dazu eignete sich eine Aktion gegen die Orden in besonderer Weise, weil dadurch die Bischöfe treuester Helfer beraubt wurden und andererseits im Volk der Eindruck erweckt wurde, die verfolgten Ordensleute seien nicht so sehr Opfer des kommunistischen Regimes, sondern der falschen Religionspolitik ihrer Oberhirten. Eine allgemeine Pressekampagne sollte diese letztere Auslegung fördern, wobei nicht vor Unterschriftenfälschungen zurückgeschreckt wurde. Beispielsweise erschien am 23. Mai im „Magyar Nemzet“ ein von dem bekannten Zisterzienserpater Richard Horvath unterzeichneter Artikel, der die Haltung der Bischöfe scharf kritisierte und sie als gegen die Interessen des Volkes und der Kirche selbst verstoßend ablehnte. P. Horvath erklärte darauf in aller Öffentlichkeit, daß er mit diesem Artikel nichts zu tun habe und die darin enthaltenen Ansichten keineswegs teile. Inzwischen wurden auch Fälle bekannt, bei denen die Kommunisten von ihnen selbst verfaßte Aufsätze kirchlichen Persönlichkeiten vorlegten, um ihre Unterschrift unter Androhung von Gewalt zu erpressen. Wer sich weigerte, wurde verhaftet, worauf der Artikel dennoch mit der gewünschten Unterschrift erschien. Andere einfluß-reidre Leute wurden aufgefordert, bei den Bischöfen, „Höflichkeitsbesuche“ abzustatten, um ihnen bei dieser Gelegenheit anzudeuten, daß ihre Einstellung nicht dem Willen des Volkes entspräche und daß es deshalb unumgänglich notwendig sei, zu einem Modus vivendi zu kommen.

Bisher blieben alle diese Machenschaften ohne Resultat. Deshalb kündigte die Regierung den Bischöfen die Konsequenzen ihrer Festigkeit unmißverständlich an. Insbesondere wurden sie darauf aufmerksam gemacht, daß erneut die erbarmungslose Prozeßmaschine des Staates in Bewegung gesetzt werden wird. Auch in der Organisation der „spontanen Volksempörung“ verfügt die Regierung über gute Erfahrungen. Die kommunistischen Ortsgruppen werden angewiesen, überall Massendemonstrationen gegen die Bischöfe zu organisieren.

Weitere Nachrichten dieser Art werden, nachdem der ungarische Episkopat der

Regierung erneut erklärte, daß er mit ihr in Abwesenheit des Primas Kardinal Mindszenty nicht verhandeln könne, nicht lange auf sich warten lassen. Auch die Maßnahmen gegen einzelne Äußerungen des kirchlichen Lebens erfahren eine rasche Verschärfung. Kürzlich behauptete der Generalsekretär des Kommunistischen Bundes ungarischer Bauern, Lajos Borbas, „daß die klerikale Reaktion versuche, in den Dörfern durch Abhaltung von Bittgängen, Wallfahrten und Litaneien die Bauern von den dringenden landwirtschaftlichen Arbeiten abzuhalten“ Er forderte die Agitatoren auf, in gesteigertem Maße „solche Mystizismen, die nur der Sabotage dienen“, zu bekämpfen.

Ungebeugt und mutig trotzt die katholische Kirche dem Terror.

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