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LADISLAV MNACKO / AUSGEBÜRGERTE OPPOSITION
„Das Gewissen der Nation“ zu sein, ist, nach einem bekannten Wort, die Aufgabe der Intellektuellen gegenüber den politischen Machthabern. Diese Funktion des moralischen Gewissens wird um so wichtiger, je geringer die Möglichkeiten der Kritik und Kontrolle der politischen Macht in einem Land sind. Die jüngsten Entwicklungen im Verhältnis der Schriftsteller und Literaten zu ihren Regimen in der Sowjetunion, Polen und der Tschechoslowakei sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache.
Ladislav Mnacko, einer der Schriftsteller, die selbst in der
Hochblüte des Stalinismus jeden offenen Konflikt mit der Regierung vermieden und die daher noch vor kurzem den Vorwurf des Opportunismus und der Anpassung um jeden Preis einstecken mußten, hat sich nun öffentlich von der Politik der Prager Regierung distanziert. Anlaß dafür war zwar nicht die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die staatliche Zensur — in den Auseinandersetzungen des tschechoslowakischen Schriftstellerkongresses Ende Juni hatte sich Mnaöko, in seiner Heimat einer der populärsten Schriftsteller, eher zurückgehalten —, sondern die Haltung der tschechischen Regierung im israelisch-arabischen Konflikt.
Diese offene Distanzierung in einer Frage, die im gesamten Ostblock zu heftigen Meinungsverschiedenheiten innerhalb der kommunistischen Parteien geführt hat, brachte Mnacko drastische Maßnahmen von seifen der Regierung ein: Aberkennung der Staatsbürgerschaft, Ausschluß aus der KP, Aberkennung des Ehrentitels „Verdienter Künstler der Nation“ und sämtlicher übriger Dekorationen. Die Maßnahme der „Ausbürgerung“ erscheint um so grotesker, als die gleiche Maßnahme der griechischen Militärregierung gegenüber der bekannten Schauspielerin Melina Mercouri in der CSSR jüngst noch Gegenstand ätzender Kommentare über den griechischen Faschismus bildete. Aber die rechte und die linke Reaktion unterscheiden sich offensichtlich auch in der Wahl ihrer Mittel nicht allzusehr voneinander.
Diese Maßnahmen müssen gerade Mnaöko schwer treffen, der, seit seiner Jugend überzeugter Kommunist, es auf allen seinen Auslandsaufenthalten nie verabsäumt hat, seine Treue zum Kommunismus zu betonen. 1919 im mährisch-slowakischen Grenzgebiet geboren, verdiente sich Mnacko zunächst als Hilfsarbeiter sein Brot, wechselte jedoch schon in jungen Jahren zum Journalismus über. Nach Kriegsende wurde er Redakteur der kommunistischen Parteizeitung „Rudi pravö“. Später übernahm er die Leitung der Wochenzeitschrift „Kultury Zivot“. Als Schriftsteller wurde er vor allem durch seinen Roman „Der Tod heißt Engelchen“ bekannt, der in 16 Sprachen übersetzt wurde und eine Gesamtauflage von fast zwei Millionen Exemplaren erreichte. Die tschechische Regierung zeichnete ihn mit dem höchsten Staatspreis, dem Klement-Gott-wald-Preis, aus und verlieh ihm zweimal den Titel „Verdienter Künstler der Nation“ — ein Beweis für seine offensichtliche Linientreue in dieser Zeit. Erst mit seinem Werk „Verspätete Reportagen“, einem Bericht über die politische Justiz in der Stalin-Ära, setzte Mnaökos Kritik am Regime ein. Gegen die Veröffentlichung dieses Werkes im
Westen protestierte Mnaiko — allerdings erfolglos —, das Buch erschien unter dem Titel „Der rote Foltergarten“ in Deutschland. Der Durchbruch zum Ruhm im Westen gelang ihm mit dem Roman „Wie die Macht schmeckt“, der 1966 im Molden-Verlag erschien und schnell zum Bestseller wurde — weniger seiner literarischen Qualitäten wegen, sondern als trotz der mehrfachen Verschlüsselung aufschlußreiche Information über die innerpolitischen Entwicklungen in der CSSR seit der kommunistischen Machtübernahme. Das Werk erschien in der CSSR nur auszugsweise — angeblich hatte Nowotny zu deutliche Anspielungen auf seine eigene Karriere übelgenommen.
Der nunmehr erfolgte Bruch Mnackos mit dem Regime wird allgemein als Symptom für die Verhärtung der offiziellen Haltung der Oststaaten gegenüber Dichtern und Intellektuellen gewertet. Erst die Zukunft wird zeigen, ob die kommunistischen Regierungen das System der überwachten, jederzeit widerrufbaren Freiheit aus der Zeit der Entstalinisierung beibehalten oder ob sie bereit sind, diese Freiheiten institutionell zu verankern und damit der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung und dem Drängen der Intellektuellen auf eine Demokratisierung Rechnung zu tragen.
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