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Missionsland Frankreich

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Die Veröffentlichung der Apostolischen Konstitution Omnium Ecclesiarum, die der Mission de France ein sehr bejahendes kirchenrechtliches Statut verleiht, bezeugt, daß die schmerzliche Krise der vergangenen Monate weder die Probleme der heutigen Verkündigung noch das Verantwortungsbewußtsein und die schöpferische Lebenskraft der Kirche abgeschafft hat. Die Unterbrechung des „Experiments“ der Arbeiterpriester war für die Kirche Christi, in der die Verkündigung der Frohen Botschaft an die Armen ein wesentliches Lebenszeichen ist, durchaus nicht die beruhigende Lösung der beängstigenden Frage, auf die dieses „Experiment“ eine Antwort versucht hatte. In der väterlich offenen Ansprache, die das Pariser Kirchenblatt vom 2. Oktober veröffentlichte, weist Kardinal F e 11 i n darauf hin, daß „der Graben zwischen der Kirche und der Arbeiterklasse, von dem Pius XI. sprach, bestehen bleibt“ und daß die Haltung der Arbeiter gegenüber den kirchlichen Maßnahmen in der Arbeiterpriesterfrage „bestätigt, daß eine große Arbeit zu unternehmen ist“. Und der Erzbischof von Paris erinnert an seinen Hirtenbrief, in dem er zur Fastenzeit schrieb: „Die Kirche wünscht die Aufrechterhaltung eines Priesterapostolats inmitten der Arbeiterwelt.“ Die Kirche arbeitet weiter und sucht weiter.

Vorerst bleibt allerdings die Zukunft der „Arbeitermission“ noch recht unbestimmt. Diejenigen unter den Arbeiterpriestern, die trotz den kirchlichen Entscheidungen noch in der Arbeit stehen, sind in einer sehr unklaren Situation, die ihnen, je unklarer sie mit der Zeit wird, desto weniger erlaubt, die Gegenwart der Kirche in der Welt der Arbeit zu verwirklichen. Diejenigen, die gehorsam ihre Arbeit aufgegeben und ihr Apostolat unterbrochen haben, warten. Der Not. derer, mit denen sie gelebt haben, bewußt, hoffen sie, daß bald aus vertrauensvollem Gespräch mit ihren Bischöfen ein neues praktisches Statut ihrer Missionstätigkeit hervorgehen wird. Die kanonischen Satzungen der Mission de France erscheinen ihnen wie ein Silberstreifen am Horizont.

Die Mission de France ist keineswegs mit den Arbeiterpriestern identisch. Die meisten Priester der Mission de France waren nie Arbeiterpriester; die Mehrzahl der Arbeiterpriester gehörten nicht der Mission de France an. Die Mission de France wurde 1941 durch einen Beschluß der Versammlung der Kardi- näle und Erzbischöfe Frankreichs ins Leben gerufen. Der Zweck dieser Gründung war, eine seelsorgerisch bessere Verteilung der Priester (nicht mehr allein auf Grund des Priesternachwuchses in der Diözese, sondern gemäß den örtlichen B e d ü r’f n i s s e n) zu verwirklichen und die vorzüglich in verhältnismäßig „entchristlichte“ Gebiete zu entsendenden Geistlichen auf ein priesterliches Gemeinschaftsleben vorzubereiten. 1942 wurde in Lisieux ein Seminar der Mission de France eröffnet, das bald einen erstaunlichen Zustrom von Studenten aus allen Schichten und allen Altersklassen empfing. Bald jedoch gaben die neuen, ganz auf die Missionstätigkeit ausgerichteten Studienmethoden zu teilweise nicht unberechtigter Kritik Anlaß. 1952 mußte das Seminar, das der Bischof von Bayeux nicht mehr in seiner Diözese behalten wollte, nach Limoges verlegt werden: vor einem Jahr wurde es nach einer kanonischen Visitation geschlossen. Das Seminar der Mission de France in Limoges zählte ungefähr 200 Seminaristen. Die Mission de France faßt gegenwärtig ungefähr 350 Priester zusammen.

Das neue kirchenrechtliche Statut der Mission de France bedeutet nun nicht etwa,

daß „Rom ein Auge zudrückt“. Die Priester der Mission de France sehen in diesem sehr ungewöhnlichen Dokument die klare kirchliche Bestätigung der umstrittenen Missionsarbeit, der sie ihr Leben gewidmet haben. Wer die (auch im deutschen Sprachgebiet) lebhafte Diskussion über die „sogenannte“ Missionstätigkeit in Gebieten, in denen die Kirche schon längst fest eingerichtet ist, verfolgt hat, wird die Bedeutung der Worte opus quasi missionale, mit denen die sehr abgewogene Sprache des päpstlichen Dokuments ausdrücklich die Aufgabe der Mission de France bezeichnet, nicht unterschätzen. Sie bedeuten die offizielle Anerkennung, daß in pfarramtlich betreuten Bezirken für ganze Bevölkerungsgruppen Missionssituationen bestehen, die Missionsmethoden erfordern.

Die Konstitution Omnium Ecclesiarum errichtet eigens für die Mission de France eine neue Diözese, eine Prälatur nullius, in der ehemaligen Zisterzienserabtei Pontigny (zu der als Diözesangebiet nur noch das 600 Einwohner zählende Dorf Pontigny gehört). Der Prälat von Pontigny wird vom Papst unter den von der Versammlung der Kardinäle und Erzbischöfe Frankreichs ernannten Mitgliedern der bischöflichen Kommission ausgewählt. Da aber der Prälat so doch schon einen anderen Bischofssitz innehat, wird die unmittelbare und ständige Leitung der Prälatur von Pontigny in den Händen eines Generalvikars liegen. Daß die Ernennung dieses Generalvikars ausnahmsweise „nicht ohne Ermächtigung und ohne Erlaubnis des päpstlichen Stuhls“ vorgenommen werden kann, ist sicher nicht ein Zeichen „römischen Mißtrauens“ wider die Mission de France. Es handelt sich vielmehr darum, die Autorität dieses außergewöhnlich verantwortlichen Generalvikars — besonders in den Unterhandlungen mit den Bischöfen, in deren

Diözesen seine Priester wirken — zu stärken. Schon die bevorstehenden Entscheidungen über die Exkardination der Priester der Mission de France aus ihren ursprünglichen Diözesen werden an die Prälatur Pontigny hohe Anforderungen an Autorität wie an Diplomatie stellen. Der sehr kraftvolle Text der Konstitution, der die neue Institution wider „jegliche Opposition, selbst wenn sie besondere und ausdrückliche Aufmerksamkeit verdiente“, in Schutz nimmt, zeigt, daß die Kurie diese Autorität für sehr wichtig hält.

Das Seminar der Mission de France öffnet dieses Jahr in Pontigny wieder seine Pforten. Seine Disziplin wird wahrscheinlich etwas klassischer sein als zuvor. Aber der Missionsgeist bleibt und lebt.

Mitte September versammelten sich in Charenton bei Paris unter dem Vorsitz Kardinal Lienarts, des Präsidenten der bischöflichen Kommission, 300 Priester der Mission de France, um gemeinsam die Zukunft ihrer Missionsarbeit zu besprechen. Diese Zukunftsmöglichkeiten liegen vorerst sichtlich klaret auf dem Lande als in den städtischen Industriebezirken. Das Apostolat „von außen" scheint durchaus unzureichend.

Die schon erwähnte Ansprache Kardinal Feltins zeigt, wie sehr die Sorgen der Priester der Mission de France Anliegen der Hierarchie sind. Wenn auch zunächst das wünschenswerte neue Statut noch nicht gefunden zu sein scheint, so ist doch sicher, daß die Unterbrechung des „Experiments“ der Arbeiterpriester für die verantwortlichen Hirten durchaus nicht den Verzicht auf eine praktisch wirkliche Mission unter den Arbeitern — durch Laien, aber auch durch (unter bestimmten Bedingungen) arbeitende Priester — bedeutet.

Die Kirche arbeitet weiter und sucht weiter. Wie sollte es denn auch anders sein? Da doch die Kirche Liebe ist.

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