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Seelsorge im amerikanischen Camp

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In Übereinstimmung mit vielen Kameraden, die mit mir in den Vereinigten Staaten in Kriegsgefangenschaft waren, sei hier mit Dank der Verdienste des Kriegsdepartements in Washington gedacht, das sich vorbildlich um die Seelsorge der Kriegsgefangenen bemühte.

Im Laufe von eineinhalb Jahren, die ich als Kriegsgefangener in verschiedenen Camps in den Vereinigten Staaten verbrachte, habe ich guten Einblick in die katholische Lagerseelsorge gewinnen können. Für jedes Kriegsgefangenenlager war ein amerikanischer Zivil- oder Armeegeistlicher verantwortlich. Anfang 1944 wurden nach Möglichkeit kriegsgefangene Priester den einzelnen Camps zugeteilt, so daß jedes Lager einen geistlichen Betreuer aus den eigenen Reihen der Gefangenen bekam. Diesen wurde der gleiche Sold gezahlt wie jenen „P. W.s“, die aus unseren Reihen auf Arbeit gingen. Wenn jedoch für ein Lager nur ein Theologiestudent verfügbar war, so wurde meistens der amerikanische Zivilpriester aus dem nächsten Dorf dazu verpflichtet, jeden Sonntag im Lager eine heilige Messe in dem dafür bestimmten Raum zu zelebrieren, den man in der. Regel mit den evangelischen Christen für gottesdienstliche Zwecke teilte. Jeder Camp hatte so mindestens einmal wöchentlich eine heilige Messe.

Da die meisten Kriegsgefangenen die englische Sprache nicht so beherrschten, um sich im Beichtstuhl verständigen zu können, wurde entweder alle vier bis sechs Wochen einem kriegsgefangenen Priester ein Auto zur Verfügung gestellt, um in nahegelegenen Camps Beichte zu hören, oder es wurde ein amerikanischer, deutschsprechender Priester verpflichtet, in die einzelnen Kriegsgefangenenlager zu gehen.

Auch eine Reihe amerikanischer Organisationen machte sich wie überhaupt um die Gefangenen auch um ihre religiöse Befür-sorgung verdient, so die große zentrale Katholikenorganisation der „National Catholic Weifare Conference“ in Washington, der „Deutsche katholische Zentralverein“, der „Christliche Verein junger Männer“. Es wurden, um nur einiges zu nennen, eigene Gebet- und Gesangbücher, neue Gebete des Neuen Testaments in der Übersetzung von P. Rösch, Kalender, Heiligenbilder, Altarschmuck, Kreuzwege, Rosenkränze, Haftnoniums und vieles mehr an die Lagerpfarren verteilt. Der Vatikan und viele Orden halfen tatkräftigst mit, die vielen kleinen Lagergemeinden mit dem Notwendigsten auszustatten. Den Theologiestudenten wurde weitgehend Möglichkeit geboten, ihr Studium privat fortzusetzen. Tausende von Bänden wurden diesen zukünftigen Priestern geschenkt. Übrigens erstreckte sich diese Fürsorge auch großzügig auf weltliche Gebiete, Sport, Literatur und Musik.

Wir Kriegsgefangene blieben nicht tatenlos. In vielen Camps gab es Jugendkreise und Männerrunden. Die meisten Lager hatten einen Kirchenchor. Heimabende, Dreikönigsspiele, Orgelkonzerte fanden statt, in Ft. Lewis, Washington, wurde ein von einem Kriegsgefangenen komponiertes Oratorium aufgeführt, das mit Bewilligung des amerikanischen Lagerkommandanten auf Schallplatten aufgenommen und an den Heiligen Stuhl geschickt wurde.

Wer weiß, was Gefangenschaft heißt, fern der Heimat, ohne Verbindung mit der Familie, in der Ungewißheit der künftigen Schicksale, der weiß es auch, was religiöser Trost in solcher Lage bedeutet und wie groß das geistige Geschenk ist, das uns die werktätige christliche Karitas des amerikanischen Volkes zuwandte. Mancher von uns hat da erfahren, was Christsein bedeutet, und kommt um ein Wissen bereichert zurück, das ihm erst das fremde Land und seine Lebensart erschloß.

Man soll es in den Vereinigten Staaten wissen, daß viele, sehr viele Österreicher zu schätzen wissen, was uns das amerikanische Volk gegeben hat.

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