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Volksdemokratische Gastrolle in Wien

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Es war wohl als volksdemokratischer Beitrag, als Nachbarschaftshilfe sozusagen gedacht, daß der tschechoslowakische Gesundheitsminister „Pater“ Plojhar ein paar Tacje vor der österreichischen Präsidentenwahl in Wien sprach und versuchte, Sympathien für die Volksdemokratie gerade in den Reihen des christlichen Volkes zu erwecken.

Er hielt es freilich nicht für erforderlich, um ein österreichisches Einreisevisum anzusuchen — schließlich gibt es ja in Wien eine russische Besatzungsmacht, die ihm derlei Formalitäten ersparte. Auch war seine Rede keineswegs ein Rechtfertigungs- oder Verteidigungsversuch der schließlich in Wien nicht ganz unbekannt gebliebenen Methoden der Kirchenverfolgung in der Tschechoslowakei, sondern ein groß angelegter Angriff, der in der Feststellung gipfelte, daß einzig und allein die Volksdemokratie die Voraussetzung für ein wahres, praktisches Christentum schaffe.

Wenn die 2000 Zuhörer, die den Großen Konzerthaussaal füllten, hörten, daß der Religionsunterricht Pflichtgegenstand für alle Schüler ist, die der betreffenden Religionsgemeinschaft angehören, daß die Priester in der Tschechoslowakei die bestbezahlten Priester auf der ganzen Welt sind, daß in der Tschechoslowakei erstmalig in der Welt die geistlichen Krankenschwestern vom Staat als Menschen anerkannt werden und ihnen eines der schönsten Schlösser im ganzen Staatsgebiet für Erholungszwecke zur Verfügung gestellt wurde, daß die Wallfahrten heute imposanter als je sind, daß die katholisch-theologische Fachpresse entwickelt ist wie nie zuvor und die katholische Presse früher nie erreichte Auflagenhöhen aufweist — dann freilich sind auch wir Österreicher erschüttert, erschüttert allerdings nicht vor Staunen über so viel Großzügigkeit des volksdemokratischen Regimes in der Tschechoslowakei gegenüber der katholischen Kirche, sondern darüber, wozu sich jemand mißbrauchen lassen muß, der sich einmal mit dem Kommunismus anzufreunden begonnen hat. Denn die „Friedenskundgebungen“ mit Ministeransprachen in berühmten Wallfahrtsorten tatsächlich Wallfahrten zu nennen, die Presseerzeugnisse des Informationsmini-stpriums und des Staatsamtes für Kirchenfragen als katholische Presse oder die gesäuberte und in der Volksfront aufgegangene ehemalige Christliche Volkspartei als „Katholische Volkspartei“ hinzustellen, ist wirklich eine starke Zumutung, die ihr Gegenstück im Priestergewand findet, das „Pater“ Plojhar trotz seiner vor bereits drei Jahren erfolgten Exkommunikation mit besonderer Vorliebe trägt.

„Für uns ist der Heilige Vater unfehlbar in allen Fragen der Glaubens- und Sittenlehre“, bekannte schließlich Minister Plojhar — eine Beteuerung, mit der auch die schismatische Katholische Aktion in der Tschechoslowakei seinerzeit ihre Tätigkeit eingeleitet hatte —i aber er fügte an: „Wir nehmen uns allerdings das Recht heraus, in politischen Fragen manchmal anderer Ansicht zu sein als der Papst. Vor allem weigern wir uns anzunehmen, daß der Kreuzzug gegen die Sowjetunion Sache des katholischen Glaubens ist.“

Die „politischen Fragen“ sind für Plojhar offenbar die Entscheidungen des heiligen Offiziums und die Enzykliken der Päpste. Wie wäre es anders möglich, sich so völlig über die wiederholten Warnungen der Kirche vor dem Kommunismus, vor allem über die in der Enzyklika „Divini Redemptoris“ enthaltenen Mahnungen hinwegzusetzen? Freilich verlegt sich Plojhar mit dieser Auffassung selbst die Möglichkeit, das auf seinen Vorschlag von der Prager Regierung beschlossene Gesetz über Ehestandsdarlehen, auf das er mit Recht stolz ist, als eine Verwirklichung der in den Enzykliken „Casti connubii“ und „Quadragesimo anno“ enthaltenen Forderungen anzupreisen, wie er es noch beim Erscheinen des Gesetzes in der tschechischen Caritaszeitschrift getan hatte. Jetzt stellt er lediglich fest, daß dieses Gesetz volksdemokratisch und christlich zugleich sei.

Der Prager Umsturz des Jahres 1948 liegt erst drei Jahre zurück, die Grenzen der Tschechoslowakei sind kaum dreißig Kilometer von Wien entfernt — trotzdem hält man Österreich für uninformiert genug, um ihm heute die Volksdemokratie als den Verfechter praktischen Christentums vorzuführen. Erreicht hat Minister Plojhar mit seiner Wiener Rede zweifellos das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung: er erreichte, allen jenen, die es noch immer nicht glauben wollen, die „wahrhaft dämonische Propaganda, wie sie die Welt vielleicht bisher noch nicht sah“, vor Augen zu führen.

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