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Zur „Berichterstattung“ gezwungen

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8. Bei der Revision stalinistischer Seihauprozesse kam zutage, welcher Mittel sich damals die Polizei bediente, um Menschen zu vernichten. Gegen die Kirche werden heute noch immer ähnliche Mittel angewendet. Durch die von ihm eingesetzten Beauftragten in jeder Diözese hat der Staat auch Zugang zu den geheimen Diözesanakten. In Kenntnis der in diesen Archiven verzeichneten persönlichen, moralischen oder disziplinaren Schwierigkeiten einzelner Priester werden diese unglücklichen Menschen unter Druck gesetzt und zur „Berichterstattung“ aufgefordert. Wer sich weigern sollte, wird mit öffentlicher Diffamierung bedroht. Aus diesen bedauernswerten Menschen werden dann die Leiter der „Friedenspriester“ gemacht. Und die anderen Priester werden gezwungen, sie Jahr für Jahr wieder zu „wählen“. Ihre Namen sind bekannt, es wäre keine Diffamierung, sie zu nennen. Es befinden sich darunter Kapitelvikare, Redakteure katholisch-etikettierter Zeitungen und Professoren von Priesterseminaren.

9. Die katholische Presse wurde verboten. Nur eine Wocihenzeitung, „Katolicke Noviny“, und eine Priestermonatsschrift existieren noch, beide in je einer tschechischen und slowakischen Ausgabe. Die Bischöfe haben auf diese Zeitungen keinen Einfluß, sie sind zur Gänze in den Händen der Friedenspriester. Als am 9. Februar 1967 der Senior der tschechoslowakischen Bischöfe, Doktor Necsey, den 75. Geburtstag feierte, wurde dieser Tatsache in „Katolicke Noviny“ in einer Notiz auf der Seite 2 Erwähnung getan. Der 65. Geburtstag des suspendierten Priesters Plojhar jedoch wurde in derselben Zeitung etwas später in einem großen Artikel mit Bild auf der ersten Seite gefeiert.

10. Religiöse Literatur wird von Zeit zu Zeit aufgelegt, aber mehr für die Propaganda fürs Ausland als zur Befriedigung inländischer Bedürfnisse. Es gibt nicht einmal genug Katechismen für die geringe Zahl der für den Religionsunterricht in den Schulen angemeldeten Kinder. Wenn eine Pfarre für ihren Bedarf 500 Gebetbücher bestellt, dann erhält sie fünf Exemplare.

11. Alle katholischen Organisationen, alle katholischen Vereine, die Katholische Aktion und alle Institutionen des Laienapostolats sind verboten.

So sind — leider noch immer — die Verhältnisse in der Tschechoslowakei. Sollen also Verhandlungen zwischen dem Vatikan und der tschechoslowakischen Regierung nur den Sinn haben, den gegenwärtigen Zustand zu sanktionieren, dann wäre dies gleichbedeutend mit der Besie-gelung des geistlichen Hungertodes der tschechoslowakischen Katholiken. Will aber die tschechoslowakische Regierung wirklich die nur noch auf kirchlichem Gebiet existierenden Reste stalinistischer Verfolgung aufheben, will sie dem Ausland beweisen, daß es ihr ernst ist mit einem Wecken geistiger Freiheiten im Lande, will sie vor allem ihre eigenen Staatsbürger katholischen Glaubens davon überzeugen, daß sie nicht mehr Bürger minderen Rechtes sind, dann braucht sie nur eins: die Methoden des Kirchenregiments zu ändern und den Geist, von dem sie getragen werden. Dann wäre auch das rechtliche Klima geschaffen, in dem ein Dialog, in dem Verhandlungen zwischen Prag und dem Vatikan sinnvoll geführt werden können. Dann könnte es auch in der Tschechoslowakei wie in Jugoslawien zu einer für beide Teile fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche kommen. Die tschechoslowakischen Katholiken in der Heimat und außerhalb der Heimat wünschen den Frieden, wünschen die Entspannung. Aber sie wünschen kein Abkommen, das ihren Tod paraphieren würde.

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