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Kirchenbeiträge oder Steuern?

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Der Artikel „Ende der Kirchenbeiträge“ („Die Furche“, Nr. 1/1963) ist mir von der Seele geschrieben. Wie oft schon bin ich seelsorglichen Schwierigkeiten gegenübergestanden, die nur durch die Situation verschärft worden waren, die sich durch das Inkasso der Kirchenbeiträge ergibt. Ein Aspekt ist vielleicht im Artikel nicht berücksichtigt worden, der mir vom seelsorglichen her der wesentlichste zu sein scheint: Das Abliefern des kleinen Betrages tut nicht weh — die Zahlung einer, wenn auch berechtigten größeren Summe wird schmerzlich. Sicher kann man die Kirchenbeitragspflicht auch durch kleinere Raten erfüllen. Aber wer tut es schon?

Mein Vater war Zeit seines Lebens ein braver katholischer Arbeiter. Er sah es ein, daß der Kirchenbeitrag nötig sei — aber er sagte mir auch immer wieder, wie es doch ein spürbares Opfer sei, wenn der Betrag fällig werde. — Ich habe die Schwierigkeit der Saisonarbeiterfamilien verstanden, wo der Vater im Sommer schwer verdiente — dann will man im Winter, wo sie nur „aufs Büchel“ (aufschreiben beim Kaufmann) leben, auf einmal eine größere Geldsumme von ihnen. Freilich hätten sie sparen können. Aber durch die Kirchenbei-tragsvorschreibung gelingt es nicht, die problematische Wirtschaftsgebarung dieser Leute zu ändern, sondern bloß deren Ärger auf die Kirche zu entfachen, die im psychologisch unrichtigsten Moment mit finanziellen Forderungen auftritt. Wäre das dem Mann von seinem Lohn abgezogen worden, hätte er mit keiner Wimper gezuckt!

Ich erinnere mich, daß in der Zeit, als ich noch Theologe war, ein hochgestellter Oeistlicher davon sprach, was die Einhebung der Kirchenbeiträge doch für Möglichkeiten erschließe, daß der Seelsorger auch mit Randchristen in persönlichen Kontakt käme. Das mag unter den im Artikel ohnedies angeführten Umständen während des Krieges vielleicht der Fall gewesen sein. Mir ist jedenfalls seit 1945 kein Fall bekannt geworden, daß sich jemand, durch die Einhebung der Kirchenbeiträge bewogen, bekehrt hätte — wohl aber sind etliche abgefallen- Sicher sind darunter solche, die zuerst jahrelang nichts gezahlt haben und dann plötzlich große Summen vorgeschrieben erhielten. Aber wenn es ein regelmäßiger Steuerabzug gewesen wäre, wären sie nicht in diese Beitragsschulden geraten, und es wäre auch nicht zum offenen Bruch gekommen.

Soll man diese Halbchristen ruhig gehen lassen, höre ich da jemand sagen. Ich habe aus solchen „halbchristlichen Familien“ etliche meiner besten Jugendführer gehabt. Die Eltern ließen sie in die Religions- und in die Seelsorgestunden gehen. Ist die Familie einmal ausgetreten, kommt man an die Kinder nur ganz schwer heran. —

Und im Spitnl und im' Altersheim: Wieviel schwieriger, einen Ausgetretenen wieder heimzuführen, als einen, der schon jahrzehntelang nicht bei den Sakramenten war, wieder zum Beichten zu bringen.

Ich möchte vor Gott nicht die Verantwortung jener tragen, die diese Frage bis jetzt ignoriert haben. Darum drängt es mich, der „Furche“ für diesen Artikel zu Janken.

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