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Der neue Landtag in Südtirol

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Am 11. November fanden in den 112 Südtiroler Gemeinden und in den Gemeinden der Provinz Trentino die Regionalratswahlen statt, aus denen der neue Landtag der „Region“, das sind die beiden Provinzen Trentino und Bozen, für die nächsten vier Jahre gebildet wurde. Die italienischen Parteien boten alles auf, um die Deutschen aus dem Sattel zu heben. Die Deutschen aber sind noch nie so stark aus einer Wahl hervorgegangen wie diesmal.

Die Wahlbeteiligung erreichte mit 91,95 Prozent eine Höhe, wie sie weder bei der ersten Landtagswahl 1948 (78,6 Prozent) noch bei der 2. Landtagswahl im Jahre 1952 (87,9 Prozent) erzielt wurde. Von den 211.772 Wahlberechtigten wurden insgesamt 194.721 Stimmen abgegeben, von denen allerdings einige ungültig waren. Zwei deutschen Parteien, der „Edelweißliste“ der Südtiroler Volkspartei und der „Tiroler Adlerliste“ des sogenannten Tiroler Volksverbandes standen sieben rein italienische Parteien, und zwar: Christliche Demokraten, Linkssozialisten (Nenni-Partei), Sozialdemokraten (Saragat), Kommunisten, Neofaschisten, Liberale und die italienische Union gegenüber; dazu kam eine gemischte Liste, die sogenannte europäische Volksliste, in der sich Deutsche und Italiener vereinigten, da dieser Liste aber mindestens 95 Prozent Italiener angehörten, zählen wir bei der nachfolgenden Statistik die europäische Volksliste zu den italienischen Stimmen. Weiter sind im folgenden auch die zwei sozialistischen Parteien (Linkssozialisten-NennüPartei und Sozialdemo-kraten/Saragat) zusammengezogen.

Im ganzen wurden abgegeben für die Südtiroler Volkspartei (Edelweißliste) 124.164 Stimmen, Tiroler Volksverband 1416 Stimmen, also insgesamt 125.580 deutsche Stimmen, denen italienischerseits insgesamt 67.222 Stimmen gegenüberstanden. Merkwürdigerweise haben gerade in Südtirol die italienischen Rechts-stimmen, und zwar die Neofaschisten stark zugenommen. Bei den letzten Wahlen im Jahre 1952 zählten die Neofaschisten 9316 Stimmen, während sie es heuer auf 11.608 Stimmen brachten, so daß sich bei ihnen ein Zuwachs von 2292 Stimmen ergab. Bei den italienischen Stimmen ist weiter gestiegen die christlichdemokratische Partei von 23.862 auf 27.668, also um 3806 Stimmen. Abgesunken sind hingegen die Kommunisten von 5336 auf 4202 Stimmen, sie haben also 1134 Stimmen verloren. Nicht mehr aufgestellt wurden in Südtirol: die deutsche Linksliste, die monarchistische Liste, die Liste der demokratischen Konzentration sowie eine Liste der deutschen Kommunisten und die italienischen Unabhängigen; hingegen haben neu kandidiert die Liberalen.

Von den sieben deutschen Städten: Bozen, Meran, Brixen, Bruneck, Sterzing, Klausen und Glums besitzen nur zwei eine italienische Mehrheit, und zwar Bozen, wo 10.438 deutsche Stimmen 34.731 italienischen Stimmen gegenüberstanden, die Italiener daher eine Mehrheit von 24.239 Stimmen erzielen konnten, und Meran mit einer italienischen Stimmenmehrheit von 2429 Stimmen (683 5 deutsche und 9264 italienische Stimmen), während die übrigen Städte durchweg eine deutsche Mehrheit besaßen: Brixen 801 Stimmen, Bruneck 1899 Stimmen, Sterzing 1098 Stimmen, Klausen 1878 Stimmen und Glums 342 Stimmen. In den sieben deutschen Städten wurden insgesamt von 86.493 Wahlberechtigten abgegeben: 29.036 deutsche und 48.639 italienische Stimmen, während in den 105 Landgemeinden Südtirols von insgesamt 125.285 Wahlberechtigten 96.548 deutsche Stimmen und 17.300 gültige italienische Stimmen abgegeben wurden.

Zahlreiche Landgemeinden weisen keine italienischen Stimmen auf oder nur eine verschwindende Minderheit, so z. B. die große Gemeinde Ahrntal, welche die früheren Gemeinden St. Martin, St. Johann, Steinhaus, Sankt Peter, St. Jakob und Prettau umfaßt, wo 2334 deutsche und 72 italienische Stimmen abgegeben wurden, die große Gemeinde Adrian zwischen Meran und Bozen mit 294 deutschen und 4 (!) italienischen Stimmen, die ladinische Gemeinde Corvara mit 239 deutschen und 96 italienischen Stimmen, die Gemeinde Deutsch-nofen mit 1449 deutschen und 42 italienischen Stimmen, die große Gemeinde Kaltem mit 2590 deutschen und 507 italienischen Stimmen, die Gemeinde Sexten im Pustertal mit 780 deutschen und 61 italienischen Stimmen, die Gemeinde Terenten im Pustertal mit 5 52 deutschen (alles Edelweißliste) und 4 italienischen (alles Christlich-Demokratische Partei); von den Landgemeinden hatten lediglich die schon früher italienischen Gemeinden Pfatten und Branzoll eine italienische Mehrheit, während in allen anderen Gemeinden die deutsche Liste vorherrschte.

Das Stimmenverhältnis im Südtiroler Landtag ist dasselbe geblieben, nämlich 15 Sitze der Südtiroler Volkspartei, 3 christliche Demokraten,

2 Sozialisten (l Nenni- und 1 Saragat-Sozialist), 1 Neofaschist und 1 Kommunist, so daß die deutsche Volkspartei die absolute Mehrheit besitzt. Geändert haben sich lediglich die Abgeordneten selbst, und zwar sind gewählt worden: Dr. Alfons B e n e d i k t e r, der bisherige Landtagspräsident, Dr. Sylvius M a g n a g o, Ingenieur Pupp, Dr. Peter B r u c k 1 e r, Dr. Robert v. Fioreschy, Hans Dietl, Hans Mayr, Dr. Eduard D or f er, Ing. Hans Plaikner, Dr. Anton Schatz, Dr. v. Unterricht er, Dr. Hermann N i c o 1 u s s i, Dr. Joachim D a 1-s a i s, Heinrich T h e i n e r, Dr. Kapfinger. Die in Meran erscheinende Zeitschrift „Der Standpunkt“ behauptet nun, daß das radikalere Element in der Volkspartei die Oberhand gewonnen habe. Wir wollen es der Zukunft an-heimgestellt sein lassen, wie sich in der nächsten Regierungsperiode die Zusammenarbeit zwischen den beiden Volksgruppen auswirkt, und können nur hoffen, daß sich die Zusammenarbeit wieder für beide Volksgruppen ersprießlich zeigt; gerade in der Zeit, da die Wogen der Weltpolitik hochgehen, wäre es Aufgabe der beiden Volksgruppen, sich durch gegenseitiges Verstehen das Leben zu erleichtern.

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