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Roms Einschränkungen gegenüber Südtirol

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Sorgen um ihre Autonomie machen sich die Südtiroler, seit die Neofaschisten in Rom mitregieren. Daß dies berechtigt ist, zeigen verschiedene Fälle, Minderheitenrechte wieder einzuschränken. Wird das Südtirol-Problem auch die EU- Integration Österreichs ungelöst überdauern?

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Sorgen um ihre Autonomie machen sich die Südtiroler, seit die Neofaschisten in Rom mitregieren. Daß dies berechtigt ist, zeigen verschiedene Fälle, Minderheitenrechte wieder einzuschränken. Wird das Südtirol-Problem auch die EU- Integration Österreichs ungelöst überdauern?

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Was, bitte, könnte ein italienischer Ministerpräsident einem österreichischen Bundespräsidenten beim EU-Gipfel in Korfu Unverbindlicheres sagen als ein paar nette Worte über Südtirol? Gewichtiger ist da schon die Meinung des italienischen Innenministers Roberto Maroni: „Solange ich in dieser Regierung sitze, wird die Südtiroler Autonomie nicht angetastet. Wenn sie verändert wird, dann wird sie erweitert.“

Maroni kommt aus der Lega Nord, die den Föderalismus vertritt. Doch die Lega ist nicht die einzige Partei in der Regierungskoalition, in der auch Neofaschisten sitzen. Vor allem ihretwegen machen sich die Südtiroler Sorgen.

Faschistenchef Gianfranco Fini und sein Bozener Freund Pietro Mit- olo halten noch immer Benito Mussolini für den größten Staatsmann dieses Jahrhunderts. Finis Aussage, es sei schwierig, den Faschismus vor 1938 insgesamt negativ zu beurteilen, hat in Südtirol begreiflicherweise mehr als Ärger hervorgerufen.

Die Südtiroler Volkspartei hat daran erinnert, daß die Faschisten schon 1921 den Lehrer Innerhofer ermordet haben, daß die deutsche Sprache, die heimischen Namen verboten und die Schulen geschlossen wurden.

Daß faschistische Drohungen nicht harmlos sind, zeigt der Fall Istrien, von dessen „Heimkehr“ nach Italien die Faschisten träumen. Italien hat verhindert, daß Slowenien in die Reihe der Staaten aufgenommen wurde, die sich der EU anzunähem wünschen, weil es zuerst einmal Entschädigungen für die nach dem Krieg vertriebenen Italiener zahlen soll. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung der Schützen verständlich: „Rom soll sich für die Menschenrechtsverletzungen in Südtirol während der Zeit des Faschismus entschuldigen.“

Daß das Südtirolproblem letzthin etwas in den Hintergrund getreten ist, liegt vor allem daran, daß Rom derzeit andere (Überlebens-)Sorgen hat. Was nichts daran ändert, daß immer wieder Bausteine der Autonomie auf ihre Haltbarkeit abgeklopft werden. So hat der Verfassungsgerichtshof am 30. Juni über die Zweisprachigkeit bei Gericht entschieden, daß der Angeklagte seine Muttersprache benützen kann — unabhängig davon, welcher Sprache sich der gewählte Rechtsanwalt bedient. Der Angeklagte kann also zum Beispiel deutsch, der Anwalt italienisch reden.

Es gibt Südtiroler Anwälte, die diese Regelung vernünftig finden, während andere von einer Verletzung der Paketdurchführungsbestimmungen sprechen, weil damit der einsprachige Strafprozeß, wie er auch den Richtlinien der Vereinten Nationen und der Europäischen Union entspricht, hinfällig geworden ist.

Während man über einen Prozeß mit einem Vertrauensanwalt verschiedener Meinung sein kann, will die Südtiroler Volkspartei bei der Einsprachigkeit in jenen Fällen hart bleiben, bei denen es sich um einen Pflichtverteidiger handelt.

Interessant ist vor allem, wie wiederholt versucht wird, Minderheitenrechte eher einzuschränken als zu erweitern. Das zeigt auch ein anderer Fall: Plötzlich hat man ein Dekret veröffentlicht, das die Regierung Ciampi noch kurz vor ihrem Abgang erlassen hat. In Ausübung der umstrittenen Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis wird da festgestellt, daß nicht nur, wie bisher schon, die Südtiroler Fremdenverkehrswerbung, sondern auch die Auslandsaktivitäten der Landesregierung nur über italienische Staatseinrichtungen gehen dürfen. Womit ein gemeinsames Nord-Südtiroler EU-Büro in Brüssel torpediert ist.

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