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Andreas Lackner

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Das „Lichtpfennigbuch“ der Pfarre Abtenau, die seit Staufertagen dem Salzburger Erzstifte St. Peter inkorporiert ist, bewahrt in seinem um 1600 geschriebenen Text die Inschrift, die der damals bestehende Hochaltar der Kirche „an der Thür“, also wohl an den Flügelrahmen trug: „Als man zeit hat 1518 Jahr ist vollendet diss Werkh durch Meister

Andre Lackbner vom Hellein als geregiert der grosmechtige Kaiser Maximilian. Hoc opus pinxit Utalricus Pocks-perger Lunelacensis.“ Sie gab den ersten Hinweis auf zwei Künstler, die in den letzten Jahren der Maximilian-Zeit, den ersten Blütejahren einer eigenständigen Salzburger Renaissance, miteinander verbunden arbeiteten.

Die Forschung konnte den Bildhauer Andeas Lackner in seinen Werken erfassen, da dank der Pietät des Erz-

Stiftes die Großplastiken dieses Hochaltars erhalten blieben: einerseits die Schreingruppe, welche den Kirchenpatron St. Blasius erhöht thronend zwischen den Schutzherren des Erzbistums, den Heiligen Rupert und Virgil, in pontifikalem Prunk zeigt, renaissancehaft füllige, tief charakterisierte Gestalten (Wien, Hofmuseum). Ihnen zur Seite müssen wir die beiden ritterlichen Schreinwächter Sankt Georg und St. Florian, kraftvolle, aber schwer bewegliche Harnischträger, gestellt denken (Abtenau). Wir können uns diesen Hochaltar in den gleichen Formen vorstellen, wie sie der erhaltene Altar von Kirchbrombach (Hessen) aus den gleichen Jahren zeigt, Formen, die auch den Alpenländern geläufig waren; so in einem Altar der Friedhofskirche in

Enns von zirka 1530, dessen Plastiken, wieder drei schwere Bischofsgestalten, in den Museen von Enns und Linz erhalten sind.

Von diesen für Lackner gesicherten Großplastiken ausgehend, hat A. Feulner 1929 im Jahrbuche der preußischen Kunstsammlungen diesem weitere Werke zugewiesen. Unter ihnen befinden sich zwei zusammengehörige Flügelreliefs (100:98 cm), die derzeit im Erzstifte St. Peter verwahrt werden, reich bewegte Darstellungen der Anbetung der Könige und der Auferstehung des Herrn. Die reichen, ganz malerisch gebildeten und in phantastische Landschaftsräume eingebetteten Szenen sind eigenständige Salzburger Parallelen zu den Werken des „Donaustils“, als dessen Hauptexponenten die Malergraphiker Albrecht Althofer (zirka 1480 bis 1538) in

Regensburg und Wolf Huber (zirka 1490 bis 1553) in Passau gelten. Landschaftliches Empfinden, das die Handlungen in einen romantisch verwilderten Freiraum bannt, und ein landsknechthaft schwerflüssiges Agieren der üppig gewandeten Figuren kennzeichnen Lackners Reliefstil, der in Niederbayern enge Entsprechungen in den Kleinarbeiten Hans Lein-bergers (zirka 1480 bis nach 1530) in Landshut findet. Daneben behauptet sich die Kunst des etwas jüngeren Lackner in persönlicher und lokaler Sonderart. Diese entfaltet sich anmutig im An-betungsrelief, für dessen Komposition kein Vorbild nachzuweisen ist, wenn auch einzelne Züge auf die etwas frühere f lolzschnittfolge der „Wunder von Maria-zcil“ zurückgehen. Die zähe Bewegung der Gestalten erstickt nahezu im Fluß ihrer Gewandung, so daß aus der ruhigen Szene nur die emporstoßende Geste des nach dem Flammenstern deutenden Königs herausfällt. Das Nebeneinander einer offenen gotischen Kapelle und tief hängender Baummassen verleiht dem Re--lief emen zeitbedingten, gleichsam märchenhaften Reiz; daher ist es bedeutsam, daß zwischen Lackner und den Meistern des Donaustils enge Beziehungen bestanden, welche die Analyse des Auferstehungsreliefs bloßlegt: hier ist unter anderen die Gestalt des rücklings hingestürzten Geharnischten dem Holzschnitte B. 47 Altdorfers, der Auferstehung Christi von 1512, entnommen, während Lackners Heilandsgestalt bis in Einzelheiten einer Londoner Zeichnung Wolf Hubers von 1515 wiederholt, die einen — fahnenschwingenden Landsknecht meisterlich schildert; ein Blatt, das nicht in die Öffentlichkeit trat, sondern kaum anders als durch persönliche Beziehungen zwischen den Künstlern vermittelt worden sein kann. Einer anderen Zeichnung Hubers von 1514 entnahm Lackner ein weiteres Detail seines Auferstehungsreliefs, den schwerfällig in der Luft hängenden Engel, dessen Erfindung auf Alt-dorfer zurückgeht. Es charakterisiert die Säkularisation der alpenländischen Kunst in schlagender Weise, daß hier das profane Motiv eines Fahnenschwingers aus rein künstlerischen Erwägungen heraus eine göttliche Gestalt formen durfte.

Martin Weinberger (New York) hat bereits 1930 auf Grund anderer Erwägungen die Vermutung ausgesprochen, daß sowohl Altdorfer als auch Huber etwa 1517 Beziehungen zu Salzburg gepflegt und speziell Einflüsse der dortigen Plastik erfahren haben. (Weinberger, „Wolfgang Huber“, Leipzig 1930, S. 39,46, 6Lf.) Wir “gewinnen so die bestimmte Vorstellung einer schöpferischen Gemeinschaft Lackners mit seinen donau-ländischen Kunstgenossen, die für die Rolle und den Rang der Kunst Salzburgs dieser Jahre maßgebend ist. Doch schon nach 1519 empfängt sie neue Impulse von ganz anderer Seite her: der neue Landesfürst, der Kardinal-Erzbishof Matthäus Lang v. Wellenburg, führt aus seiner Vaterstadt Augsburg Künstler und Kunstwerke ins Land Salzburg. Wir werden an anderer Stelle beweisen, daß plastische Werke des Salzburger Kunstbestandes Import aus Augsburg darstellen; wir haben bereits darauf hingewiesen, daß. der Ober-Vellacher Altar des Jan van Scorel 1519'20 in Salzburg und Augsburg skizziert oder zumindest von dort aus inspiriert wurde. Nach einer klaren chronikalen Notiz haben 1522 Salzburger Bergwerksbesitzer in der Rauris einen bedeutenden Flügelaltar von dem Augsburger Maler Hans Burgk-mair und dem Augsburger Bildhauer Sebastian Loscher anfertigen lassen; selbst in der Malerei Kärntens finden wir um 1520 Augsburger Einflüsse, die dorthin über Salzburg kamen. Doch hat diese Welle schwäbischer Einwirkungen den Gang der Salzburger Kunstentwicklung kaum abgelenkt. Das beweist ein Bildnis des Landesfürsten von 1529: hier ist wieder an der repräsentativen Aufgabe ein Salzburger Meister am Werk, der in seiner tiefen Farbigkeit und der Liebe, mit welcher er im Bildhintergrunde die Stadt Salzburg und darüber die Festung und den mächtigen Umriß des Untersbergs auftürmt, künstlerisch wie menschlich sich der heimischen Tradition verbunden zeigt.

Dennoch mag die zeitweilige Überschichtung der Salzburger Tradition durch Augsburger Einflüsse dazu geführt haben, daß A. Lackner um 1519 nach Wien und Steiermark abgewandert ist, wo ihn Karl Garzarolli v. Thurnlackh bis zu seinem Tode, 1545, nachweisen konnte. Dennoch bleiben in Salzburg Plastiker von hohem Range tätig; so der Meister I. P„ von dem wir seit ungefähr 1515 Werke in Passaus Umgebung (Hals, Vornbach) und um 1520 in Salzburgs Nähe (Irrsdorf, Straßwalchen) nachweisen können. Ferner trennen wir heute von Lackners Werk das diesem von Feulner zugeschriebene Relief der Kreuzauffindung, das wahrscheinlich 1527 für einen Kreuzaltar des Stiftes Nonnberg geschaffen wurde. Dem gleichen Salzburger Kleinmeister gehören die aus Schloß Rapottenstein stammenden beiden Reliefs mit Heiligenmartyrien der Zwettler Stiftssammlungen (österreichische Kunsttopographie, Band 29, Abb. 211, 212) an, die sich mit mehreren weit zerstreuten Bildnisreliefs der gleichen Zeit zu dem bisher nicht erkannten Lebenswerke einer interessanten Künst-ierpersönlichkeit zusammenschließen, die eine höfisch-patrizische Note der Kunst Salzburgs olänzend vertritt.

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