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Auf halbem Weg zu halber Tat?

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Im Niederösterreichband des Dehio („Interimistischer Nachdruck 1962“) ist der gotischen Kirche St. Peter an der Sperr in Wiener Neustadt samt dem ehemaligen Dominikanerkloster unter dem Stichwort „Kirchenruine“ nur ein kurzer Absatz gewidmet. Und fast wäre es so weit gekommen, daß die Bearbeiter in der nächsten Neuauf-

läge den lakonischen Vermerk „Abgetragen“ samt entsprechender Jahreszahl hätten beifügen müssen.

Diese Gefahr ließ die Denkmalpfleger nicht ruhen. Galt es doch, ein, wenn auch nur mehr fragmentarisches Werk Peter von Pusikas zu retten. 1964 wurde zum ersten Male der Vorschlag erwogen, wie bei den anderen großen Kunst- und Kulturausstellungen des Landes Niederösterreich auch in Wiener Neustadt in einer umfassenden Schau das Bild einer beherrschenden Zentralpersönlichkeit und ihrer Epoche erstehen zu lassen, in der unmittelbaren zwingenden Wechselbeziehung zwischen Ort und Thema. Dies in kurzen Zügen die Vorgeschichte der Ausstellung „Friedrich III. — Kaiserresidenz Wiener Neustadt“, deren Konzept der souveränste Kenner habsburgischer Geschichte, Universitätsprofessor Dr. Alphons Lhotsky und der international anerkannte Kunsthistoriker Universitatsprofes- tor Dr. Rupert Feuchtmüller mit einem Team junger Wissenschaftler ausarbeiteten und realisierten.

Eine intuitive Scheidung

Geistige Voraussetzung und Programm eines solchen Unternehmens war die Intensiv betriebene neue österreichische Geschichtsforschung über das ausgehende Mittelalter und damit verbunden eine neue Bewertung dieses in seinem Charakter und Handeln schwer durchschaubaren Herrschers. Man könnte das Geschlecht der Habsburger ja überhaupt zunächst rein intuitiv in zwei große Gruppen einteilen: in solche, die durch ihr Wesen, Wirken und ihr Schicksal die Phantasie der Mit- und Nachwelt anregten, Phantasie hier im weitesten Ausmaß verstanden, von der volkstümlichen Legende und Überlieferung bis zur dichterischen Auseinandersetzung und Tiefenlotung in den Dramen Grillparzers — und in jene, deren Erscheinungsbild im weiteren Ablauf der Geschichte mehr oder weniger verblaßte. Zu diesen gehört merkwürdigerweise zum Beispiel der kulturell so überaus bedeutsame Kaiser Leopold I. und noch viel mehr Kaiser Friedrich III.

Wie zeigt sich die Gestalt dieses Habsburgers im Blickwinkel herkömmlicher, landläufiger Vorstellungen? Man weiß, daß er in der Wiener Neustädter Burg residierte und dort an der Außenmauer der gotischen Georgs-Kapelle um sein Standbild die berühmte Wappenwand seines Geschlechtes errichten ließ, mit 107, größtenteils erfundenen Wappenreliefs. (In den mittelalter lichen Genealogien verbindet sich immer das historische Moment mit der Mythologie). Man weiß, daß er, in viele Händel verstrickt, einmal von den Ständen in der Wiener Hofburg belagert wurde, und kennt schließlich sein ragendes Hochgrab in der Wiener Stephanskirche, dessen Deckplatte aus gesprenkeltem Adne- ter Marmor man praktisch nie im Original sieht. (Alois Kieslinger widmete dem Friedrichsgrab und den transzendentalen Hintergründen jener spätmittelalterlichen „Mode“, bei Grabmonumenten den alle Konturen auflösenden und zerreißenden gescheckten Stein zu verwenden, eine sehr lesenswerte Abhandlung im Jahrgang 1962 der Zeitschrift „Alte und moderne Kunst“.) Man zitiert vor allem Friedrichs II. mystische „Devise“ AEIOU und sieht in ihm letztlich einen Herrscher, der im Schatten der glanzvollen ritterlichen Erscheinung seines Sohnes Maximilian I. steht, dem er das kühne Profil vererbte.

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