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Das Spiel hat begonnen

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Die feierliche Eröffnung der von der Katholischen Filmkommission in Oesterreich unter der Leitung von Prälat Dr. Karl Rudolf veranstalteten IV. Internationalen Festwoche des religiösen Films versammelte am Abend des 23. April im Schubertsaal des Wiener Konzerthauses eine illustre Reihe von Ehrengästen: den päpstlichen Nuntius Erzbischof Dellepiane, Erzbischof Dr. Jachym, den Filmbeauftragten der österreichischen Bischofskonferenz Prälat DDr. Laszlo, Nationalratspräsident Dr. Hurdes, Unterrichtsminister Dr. Drimmel, Vizebürgermeister Weinberger und Delegationen aus Deutschland, Kanada, dem Saargebiet, Belgien, Luxemburg, Italien und Frankreich, an der Spitze den Präsidenten des Internationalen Katholischen Filmbüros (OCIC) Abbe Bernard, Luxemburg.

Begrüßungsworte sprachen Prälat Dr. Rudolf, Prälat DDr. Laszlo, Oberkirchenrat Engel und Abbe Bernard; in seinem Festvortrag „Der Film als Kulturvermittler“ entwickelte Unterrichtsminister Doktor Drimmel in groß angelegten Umrissen die Ziele einer nicht bloß präventiven, sondern positiven, nicht nur geistigen, sondern auch erzieherisch-religiösen staatlichen Kulturpolitik. Er fand bedeutungsvolle Worte für den moralischen Wert der auch für Oesterreich wünschenswerten Selbstkontrolle des Films.

Im zweiten Teil boten Gerda Scheyrer (Gesang) und Felicitas Karrer (Klavier) anspruchsvolle Kunst, Alfred Neugebauer und Richard Eybner fesselnde Leseproben aus Boris Simon: „Die Lumpensammler von Emmaus“, und G. K. Chesterton: „Das Geheimnis des Pater Brown.“

Mit vollem Akkord setzte Sonntag nachmittag und abend im völlig ausverkauften Großen Konzerthaussaal das diesmal besonders reiche, zehn abendfüllende und 13 Kurzfilme von zehn Nationen umfassende weltweite religiöse Filmprogramm ein.

Einem französischen Kurzfilm von ergreifender Schlichtheit, „Priesterweihe“, folgte der italienische Film „Vom Landpfarrer zum Papst“ (Gli uomi non guardiano il cielo), die Lebensgeschichte des im Vorjahre heiliggesprochenen Papstes Pius X., des Oesterreichers auf dem Papstthrone, der 1903 als Patriarch von Venedig zum Konklave nach Rom reiste, dort nach zahlreichen Kampfwahlgängen die hohen Chancen Kardinal Rampollas überflügelte, unter demütigen Gewissensqualen die Nachfolge Leos XIII. antrat und nach einem segensreichen elfjährigen Pontifikat in den ersten Tagen des ersten Weltkrieges nach verzweifelten erfolglosen Friedensbestrebungen die Augen schloß. Der Film, ein Werk Umberto Scarpellis mit Henry Vidon in der Hauptrolle, ist von dokumentarischer Echtheit und Verhaltenheit; von aufregender Spannung die jtreue Nachbildung des Konklaves in der Sixtina. Der politischen Situation Oesterreich-Ungarns (und derjenigen Italiens), die er da und dort berühren muß, wird der Film nicht gerecht. *

Mit einem Kurzfilm von erschütternder Zeitproblematik, dem Film über den Evangelischen

Kirchentag 1954 in Leipzig, „Brüder unterm Kreuz“, einer ost-westdeutschen (!) Gemeinschaftsarbeit, begann am Nachmittag des zweiten Tages eine Sonderveranstaltung der Evangelischen Filmgilde. Oberkirchenrat Reinhold Engel würdigte in klugen, warmen Worten die Bedeutung dieser denkwürdigen katholisch-evangelischen Begegnung. In dem Luther-Film „Der gehorsame Rebell“ hat Curt Oertel seinen epochalen „Michelangelo“-Stil, der aus Kunst- und Naturdokumenten den Herzschlag einer Zeit und aus ihm wieder Leben und Werk eines Menschen heraus sichtbar und hörbar macht,zu erstaunlicher Meisterschaft fortentwickelt. Schnitt, Montage, Musik und Sprechvortrag (Werner Heß) vereinigen sich zu starker Wirkung, schlagen Feuer und Leben aus den toten Dingen und verletzen nirgends das religiöse Empfinden des katholischen Beschauers. Ein italienischer Farbfilm über die Franz-von-Assisi-„Fresken Giottos“, der in den strahlenden Rot- und Ockerfarben der herrlichen Originale schwelgte, beschloß die eindrucksvolle Veranstaltung.

Am Abend des zweiten Tages erklomm die Festwoche ohne Zweifel ihren ersten Höhepunkt, ja vielleicht bleibt der (in Originalsprache vorgeführte) französische Film „Les Chiffonieri d'Emmaüs“ („Abbe Pierre, der Apostel von

Paris“) überhaupt der stärkste Gewinn der Festwoch.

Die 2000 Besucher konnten sich aber auch kein bessere Einführung in Absicht und Geist des Werkes wünschen als die tiefdringende Deutung, di* ihnen Professor Andre Espiau de la Maestre gab. Robert Darenes Film ist ein Werk höchster französischer Impressionskunst. Um den gütigen „Lumpensammler“, dessen ungewöhnliches Lebens- und Liebeswerk Boris Simon in seinem Roman festgehalten hat (Andre Reybaz bietet in der Rolle des Abbe Pierre eine vollendete Darstellerleistung, die in der Geschichte des religisen Films nur in Pierre Fresnays Monsieur Vincent ein ebenbrtiges Gegenstück hat), versammelt der Film ein Dutzend „Apostelköpfe“, hinter deren bildhaften Masken, rohen Sitten und rauhem Schmunzeln eines jeden Kreuz auftaucht und moderne Proletarierschicksale von schier auswegloser Problematik sichtbar werden. Güte und Humor meistern diese Schicksale. Am Ende des Films sind diese halbverhungerten, innen und außen verwilderten Geschöpfe Menschen geworden. Erst von da ab öffnen sich Möglichkeiten einer christlichen Mission für den einen oder anderen. Um die anderen aber wird noch des Abbes nächtliches Gebet bitten, fordern, ringen... 1

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