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Dichter der Kamera

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Unsere Zeit, die sosehr auf das Optische eingestellt ist, hat eine neue Spezies „Mensch" geschaffen: den Dichter der Kamera, den Dichter, der nicht mehr mit Worten, sondern mit Bildern seine Dichtung schreibt, den Dichter, bei dem das Wort höchstens nur noch ein Vorwort und die Schrift höchstens eine Beschriftung ist. Leonard von Matt, der Schweizer Photograph, hat eine Weitberühmtheit mit seinen derart „geschriebenen“ Heiligenbiographien gewonnen, langsam schiebt sich Österreich durch den Tiroler Wolf- gang von Pfaundler, der mit seinen Büchern „Tirol 1809“ und „St. Romedius" allgemeines Aufsehen errang, auch in die Weltklasse. Neben Leonard von Matt kann noch ein anderer Schweizer seit langem den Ruf in Anspruch nehmen, zu den großen „Dichtern der Kamera“ zu gehören: Martin Hürlimann, Besitzer des Atlantis-Verlages in Zürich, Herausgeber der gleichnamigen Zeitschrift, „Dichter“ vieler Bildbände. Nun legt er sein neuestes Werk vor, das der schönen Stadt am Arno gewidmet ist („Florenz", 178 Seiten, 141 Abbildungen, 12 Farbtafeln, Preis 12 sfr.). Die Hauptstadt der Toskana, die Stadt Savonarolas, der Mediceer, die Stadt Dantes, Michelangelos, Donatellos, Giottos, Bruneleschis, die Stadt Pietro Leopoldos aus dem Hause Habsburg, bietet so viel an Geschichte, an Kunst, daß es fast unmöglich erscheint, sie in relativ wenige Bilder einzufangen, die einen Rückblick über die große Vergangenheit dieses Juwels geben. Martin Hürlimann gelingt dies, und eben darin zeigt er sich als der große Meister und „Dichter der Kamera".

Doch blenden wir von dem Schweizer Künstler auf den Deutschen Paul S w i r i- d o f f. Vor Jahren hat er ein großes Buch über die Landschaften, Städtchen, Schlösser des ehemaligen reichsunmittelbaren Fürstentums Hohenlohe herausgegeben, in dem er sich schon als der Dichter erwies, der einen solchen Stoff zu bewältigen vermag. Nun liegen drei weitere Bände vor. Einer ist fast eine Fortsetzung des Buches „Hohenlohe“, das bereits Bilder über Schwäbisch Hall enthielt. Nun ist ein ganzer Band dieser entzückenden kleinen Stadt gewidmet („Schwäbisch Hall“, 45 ganzseitige Bildtafeln in Großformat, Verlag E. Schwend, Schwäbisch Hall, Preis 4.89 DM), die berühmt ist nicht nur durch ihr schönes barockes Rathaus, ihre mittelalterlichen Häuser an der Kocher, ihre gotischen Kirchen, sondern auch durch ihre Festspiele, die auf der großen Treppe vor der Michaelskirche abgehalten werden. Dieses „Spiel auf der Treppe“ ist ein besonders erwähnenswerter Teil des Buches, bei dem der Verfasser alle seine Künste als Photograph spielen lassen kann. Diesem Band über die schwäbische Kleinstadt reiht Swiridoff ein weiteres Werk über eine der berühmtesten deutschen Reichsstädte an, über Rothenburg ob der Tauber. In mehr als 70 Bildern — jedes ein Vers — singt Swiridoff das Lied dieser einmaligen Stadt, die glücklicherweise vor der Furie des Krieges verschont blieb. Die Kirchen, das Rathaus, die Mauern, die Brunnen, die winkeligen Gassen, die Höfe, die Gräben, den Altar Riemenschneiders in der Jakobskirche und tausend andere Dinge, jedes schöner als das vorhergehende, werden dank des Objektivs objektiv gezeigt. Welch großer Dichter aber Swiridoff ist, beweist er an dem dritten Bildband, der dem Fürstentum Liechtenstein gewidmet ist (92 Seiten, davon 44 ganzseitige Bildtafeln, Verlag Erich Schwend, Schwäbisch Hall, Preis 16.80 D-Mark). Denn dieses Land bildet einen spröden Stoff für einen Dichter. Keine großen Kunstwerke von Menschenhand weist dieser kleine Staat auf, der erst spät erstand, aber viele ältere, mächtige Staaten überdauerte, sondern nur die Kunstwerke der Natur. Allerdings einer fast unberührten Natur, deren verborgene Schönheit nur schwer zu besingen ist. Der Reisende, der achtlos bis jetzt durch dieses kleine Fürstentum fuhr, das zwischen Vorarlberg und der Schweiz liegt, wird nun doch, wenn er das Buch von Swiridoff gesehen hat, viele Augenblicke verweilen und die Schönheiten genießen, für die ihm dieser „Dichter der Kamera“ die Augen öffnete.

Aber blenden wir von Swiridoff noch auf einen anderen deutschen Künstler der Kamera hin, auf Paul Dahm, der im Kühlen-Verlag in München-Gladbach ein Buch über den Pfarrer von Ars herausgab (128 Seiten, 96 Bilder, Preis 16.50 DM). In vielen Bildern, von einem schmalen Text begleitet, „singt" Paul Dahm das Lied dieses wunderbaren Mannes, den viele für zu dumm hielten, Priester zu sein, der Pfarrer eines winzigen Ortes wurde, das aber doch ein Spiegelbild der Welt war, und der diese Welt durch sein Gebet, sein Leiden, seine Katechese, seine Predigt, seine Wohltaten völlig veränderte und dadurch zu einem der großen Heiligen der Kirche wurde. Den bisher erschienenen Bänden von Paul Dahm über Fatima, über Lourdes, über Pius XII. schließt sich auch dieses Buch würdig an.

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