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Die Pekinger Oper in Wien

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Nach aufsehenerregenden Gastspielen in Paris und Berlin spielte das Ensemble der Oper von Peking an drei Abenden im vollbesetzten Volkstheater. „P.e-k i n g e r Oper“ ist mehr ein stilistischer als ein lokaler Begriff. Denn die Mitglieder kommen vom Schanghaier Theater, vom Großen Theater Yunnan, aus dem Tanzensemble Schanghai, aus der National-Instrumentengruppe und dem Experimental-Opern-ensemble von Schanghai. Es gibt „Pekinger Opern“ überall in China. Aber ihr Stil ist einheitlich. Er wurde besonders während der letzten 200 Jahre erarbeitet und immer mehr perfektioniert. Er umfaßt — in der Reihenfolge ihrer Bedeutung — Elemente der Pantomime, des Schauspiels, der Akrobatik, des Tanzes und des „opernmäßigen“ Gesanges, wie w i r ihn verstehen. Als besonders charakteristisch bezeichnet der Leiter des Ensembles die „überhöhte Wirklichkeitsauffassung durch die Methode der Zusammenfassung und Konzentration“ die Rhythmisierung aller Bewegungen, wie beim Tanz, ferner den Verzicht auf“Kulissen.

Das umfangreiche, fast dreistündige Programm des Pekinger Ensembles läßt folgende streng voneinander unterschiedene Gattungen erkennen: Opernszenen im engeren Sinn (genauer: kurze Einakter, deren die Pekinger Oper über 1000 in ihrem Repertoire hat), Volkstänze, begleitete Instrumentalsoli und Gesangsvorträge. Die weitaus interessantesten Darbietungen gehören dem zuerst genannten Genre an.

„Der Raub des Wunderkrauts“ zeigt die schöne Pai Su Chen im Kampf mit den kindlichen Wächtern des Geisterreichs um das Wunderkraut zur Errettung ihres Gatten. „Die Trunkenheit der Yang Gui Fei“ führt die große Favoritin des Kaisers in Erwartung ihres Herrn vor, und wie diese sich — sehr anmutig und zierlich — im Pavillon der hundert Blüten mit Wein tröstet, als der Kaiser sich zu einer anderen Frau begibt. Am „Herbstlichen Fluß“ wird das ihren Geliebten suchende Mädchen Tscheng Miao Chang von einem alten Schiffer zum besten gehalten, bis dieser sie doch auf das andere Ufer übersetzt, wo der Geliebte weilt. (In diesen drei Stücken spielen Frauen die Hauptrolle.) — „Aufruhr im Himmelreich“, eine mythologische Geschichte, die vom Affenkönig Sun Wu Kung erzählt, der sich in viele hundert Gestalten verwandeln kann und der durch seine Gewandtheit und Klugheit das himmlische Heer besiegt. „Die Festung von Yen Tan Schan“ basiert auf der historisch bezeugten Schlacht zwischen einem General (zur Zeit der Soueis-Dynastie im 6. Jahrhundert) und den Anführern der aufständischen Bauern, die die starke Festung erobern und besetzen. — In diesen Stücken dominieren durchaus die Männer in akrobatischen Kampfszenen.

Diese Szenen werden von einem aus etwa zwölf Mann bestehenden Instrumentalensemble begleitet, das aus Schlaginstrumenten, Flöten und verschiedenartigen Saiteninstrumenten besteht. Im Unterschied zu der bekannten chinesischen Kult- und Hofmusik, die sehr zart ist und infolge der Pentatonik auf uns ein wenig monoton wirkt, ist die dramatische Musik äußerst abwechslungsreich, heftig und lautstark. Von den beiden solistisch auftretenden Sängerinnen repräsentierte die ieine den strengen Volksliedstil, eine andere einen bereits stark westlich beeinflußten Vortrag. Ebenso ließ sich bei den Musiknummern des Instrumentalensembles C.Die Mondnacht auf dem Fluß im Frühling“) und in den Volkstänzen („Ordos“ aus der inneren Mongolei, „Laternentanz der Lotosblüten“ und Frauentanz „Tee-Ernte und Schmetterlingsjagd“) die Hand neuerer Bearbeiter bzw. Choreographen erkennen.

Alle pantomimischen, tänzerischen und akrobatischen Darbietungen haben einen hohen Grad von Perfektion und lassen sowohl das bedeutende Können als auch das hart Training des Ensembles erkennen. Die Kostüme sind von märchenhaftem, orientalischem Prunk und geben am ehesten einen Begriff von der fast 3000jährigen Tradition der dramatischen Kunst Chinas. Die Frage lag nahe — und wurde bei einem Presseempfang auch gestellt —, wie es denn mit der zeitgenössischen chinesischen Opernproduktion bestellt sei. Der Leiter des Ensembles, Herr Hsu Ping Yu, lächelte noch höflicher als sonst und antwortete durch den Dolmetsch: „Diese Frage wird auch bei uns diskutiert. Die einen sagen, daß es nicht möglich sei, neue Werke zu schaffen. Andere meinen, daß es wohl möglich wäre. Wieder andere meinen, daß es nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist.“ — So ungefähr pflegte auch der große Buddha neugierigen Schülern zu antworten. Man sieht: in China hat alles Tradition ...

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