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Dreiklang der Künste

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Vor einem übervollen Saal in der Grazer Technischen Hochschule wies Professor Clemens Holztneister auf die Notwendigkeit einer Harmonie der drei bildenden Künste hin. Wenn er auch den Primat der Architektur letzten Endes nicht ableugnete, so war gerade er von jeher bestrebt, seine Werke durch die Mitarbeit geeigneter Maler und Plastiker zu erfüllen. In einem historischen Ueberblick erinnerte er an die organische Einheit von Plastik und Architektur beim dorischen Tempel, an die Vollendung und Mystifizierung des Basilikaraumes durch die Goldmosaiken, wodurch ein Kuppelinneres in vollkommen anderen Dimensionen erscheint, und an die Auflösung der Baukonstruktionen in plastische Phantasien in der Gotik. Als idealen Höhepunkt dieses Einheitsstrebens bezeichnete er das Barock, in dem alle drei Kunstgattungen nicht mehr zu trennen sind, und das bezeichnenderweise der strengen Scheidung in der Renaissancezeit folgte. Nach dem Tiefstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die er als eine Zeit des „Stilausverkaufs“ brandmarkte, versuchte er dann selbst, mit einer jungen Generation auf vollkommen neuen Wegen durch künstlerische Gemeinschaftsleistung zu einem neuen Ausdruck zu gelangen. Dabei warnte er, gefestigt durch historische Beispiele, vor jedem unorganischen Nebeneinander, vor falscher „Anwendung“ abstrakter Werke, und hält er es für eine besondere Aufgabe des Architekten, durch die richtige Anordnung von Plastiken und Malereien im Raum, den Gefahren des Verblüffens durch extrem Modernes oder des Verkitschens durch Alter-tümelndes aus dem Wege zu gehen.

In einer Folge von Lichtbildern bestätigte Professor Holzmeister an eigenen Werken — von den Ausstellungen seiner Akademiezeit bis zu den Entwürfen der Riesenkirchen in Südamerika und seinem Lieblingsplan, dem neuen Salzburger Festspielhaus, sein Streben nach jenem Dreiklang der Künste, der auch aus den Skizzen, Plänen, Photographien und nicht zuletzt aus seinen Graphiken und Aquarellen der gleichzeitig laufenden Ausstellung hervorgeht.

Hier erkennen wir aber auch, daß die ungeheure Vielseitigkeit des Meisters nicht einer wahllos schweifenden Phantasie entspringt, sondern jeder Bau aus seiner Funktion und der Landschaft seiner Umgebung heraus errichtet ist, die heimatlichen Bergkirchen ebenso wie die Profanbauten der Großstädte (hier wirkt etwa das Portal des Generalstabsgebäudes in Ankara wie die Fratze eines Machtdämons) oder die Kathedralen exotischer Länder, von denen an dem riesigen durchbrochenen Kuppelbau in Belo Horizonte in Brasilien bereits gearbeitet wird. Ueber das rein Architektonische scheint das Innere dieser merkwürdigen Kirche von Bedeutung 2U sein, der Atlar: ein Tisch in der Mitte, von amphitheatra-lischen Sitzen umgeben, auf den das Licht unmittelbar aus der Kuppel niedertrifft. Auch Orgel und Musikchor sind dort oben untergebracht. Das heilige Geschehen tritt dadurch wieder unmittelbar in die Mitte der Gemeinde. Eine Skizze aus einem Idealtheater mit freier Sicht verrät aufs neue Holzmeisters besondere Vorliebe, denn hier findet die Einheit der Künste und der Landschaft — wie er es selbst am Schluß seines Vortrages aussprach — ihren vollsten Akkord.

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