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Ein engagierter Kämpfer für die Moderne
Der in Wiener Neustadt geborene Hugo von Tschudi (1851 bis 1911) hat in Deutschland als Direktor bedeutender staatlicher Museen der noch jungen Moderne den Weg geebnet.
Der in Wiener Neustadt geborene Hugo von Tschudi (1851 bis 1911) hat in Deutschland als Direktor bedeutender staatlicher Museen der noch jungen Moderne den Weg geebnet.
Bei der Erwerbung moderner ... Bilder werde ich mich unbeeinflußt von irgend welchen nicht sachlichen Bücksichten, lediglich von dem Gesichtspunkt der künstlerischen Qualität leiten lassen. Für die staatlichen Sammlungen ist das Beste gerade gut genug Die Wirkungsstätten
Hugo von Tschudis - die Nationalgalerie (1896 1909) zu Berlin und die Neue Pinakothek (1909-1911) in München - haben gemeinsam eine Würdigung erarbeitet, die Tschudis sehr frühe Erwerbungen von Werken der Impressionisten, ihrer Vorläufer und Nachfolger zusammenführt. Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen und druckgraphische Arbeiten geben zur Zeit in der Neuen Pinakothek München den sichtbaren Beweis seiner programmatischen Vorhaben. Der ausgezeichnete Katalog beleuchtet seine bahnbrechenden Leistungen, Umstrukturierungen der Sammlungen, seine Mitsteiter im Kampf um die Moderne und das kulturpolitische Klima in Berlin und München vor und nach 1900.
Hugo von Tschudi, aus alter Schweizer Adelsfamilie stammend, wurde 1851 auf Gut Jakobshof nahe Wiener Neustadt geboren. Nach dem Jurastudium in Wien prägten den jungen 'Tschudi die Studien bei Ru-dolf von Eitel berger, dem Ahnherrn der „Wiener Schule" und Begründer des Osterreichischen Museum für Kunst und Industrie, in dem er, zwischen ausgedehnten Bildungsreisen, eine zweijährige Volontärzeit absolvierte. In Rom lernte Tschudi Wilhelm Bode kennen, der ihn 1884 als Direktionsassistenten nach Berlin holte. In zwölf Jahren „Lehre" erweiterte Tschudi sein Fachwissen; vor allem lernte er von Bode die Modalitäten der Verwaltung und Methoden geschickter Akquisition in enger Zusammenarbeit mit Kunsthändlern und Mäzenen.
Mit Übernahme der Direktion der Nationalgalerie 1896 reiste 'Tschudi gemeinsam mit Max Liebermann
nach Paris. Seine Begegnung mit den Impressionisten wurde zum Schlüsselerlebnis, als sich ihm Manets Werke „in ihrer ganzen Originalität offenbart" hätten, es ihm deutlich ge-
worden sei, „daß die Kenntnis der neueren französischen Kunst absolut nötig sei, um die Entwicklung der zeitgenössischen deutschen Kunst zu verstehen". Bei Durand-Ruel erwarb
er Werke von Manet, Monet und Degas; Manet wurde für ihn der wichtigste Maler der Moderne: „Im Wintergarten" (1878/79), in einer Sondersitzung des Preußischen Landtages als unsittlich beurteilt, und das „Frühstück im Atelier" (1868) sollten seine herausragendsten Erwerbungen werden.
Nicht die akademische Malerei, wie Kaiser Wilhelm II. sie als Ideal von „Nationalität" und die Ankaufskommission sie vorsahen, hielt Einzug in die Nationalgalerie, sondern die ihn faszinierende Pleinairmalerei der Franzosen, eine „Historienmalerei als Darstellung erlebten Lebens". Konfliktstoff genug, den Tschudi durch Verdeutlichung seiner Kunstanschauung ausgerechnet im Festvor-trag zu Kaisers Geburtstag 1899 und durch weitere Ankäufe noch vermehrte. Anerkennung brachte die „Deutsche Jahrhundertausstellung
Berlin 1906". Unterstützung fand er von namhaften Kollegen, wie Alfred Lichtwark, Gustav Pauli und Harry Graf Kessler, vom Pionier der Kunstkritik Julius Meier-Graefe, von Max Liebermann und vor allem von finanzkräftigen Sammlern, die im wirtschaftlichen Aufschwung nicht nur für sich selbst vor allem französische Impressionisten und Avantgarde kauften, sondern die auch bereit waren, 'Tschudis Wünsche für die Nationalgalerie vorzufinanzieren beziehungsweise zu stiften.
Tschudis Scheitern in Berlin 1909 aber war letztlich das Ergebnis einer überzogenen nationalen Kulturpolitik, verschärft durch das fatale Kunstverständnis Wilhelms IL, seine Führungsansprüche, einer Frankreichfeindlichkeit und Intrigen aller Art.. Sein Wechsel nach München an die Alte und Neue Pinakothek hatte man in der rivalisierenden heimlichen Hauptstadt schon länger im Auge. 'Tschudis Verdienst in München war es, in nur knapp zweieinhalb Jahren bis zu seinem allzu frühen Tod 1911, neben wichtigen Erwerbungen die Alte Pinakothek im Sinne einer neuen Museumskonzeption reorganisiert zu haben.
Mit der Ausstellung von Werken des ungarischen Privatsammlers von Nemes in der Alten Pinakothek konnte Tschudi sein „künstlerisches Testament" vorlegen: „Von Manet aus fiel ein neues Licht auf Velazquez und Goya. Mit der Bewunderung für Cezanne erwachte das Verständnis für Greco ..."
Die aktuelle Ausstellung in München zeigt 'Tschudis Erwerbungen „Die Entkleidung Christi" von El Greco und Goyas „Gerupfte Pute" neben den herausragenden Werken von „Manet bis van Gogh" dessen bedeutendes Selbstporträt von 1888, Gauguin gewidmet, 1906 von 'Tschudi gekauft, heute im Fogg Art Museum in Cambridge (US-Bundesstaat Massachusetts) und nur in München zu sehen ist.
„Manet bis Van Gogh" bis 11. Mai 1997
Neue Pinakothek, Harerstr. 29, 1) 80799 München.
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