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Eine Provokation?

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Da ist um eine Kunstausstellung beinahe ein Wirbel entstanden. In einigen Wiener Tageszeitungen war zu lesen, die „Ausstellung zeitgenössischer ägyptischer Kunst" im Kunstgewerbemuseum in der Weiskirchnerstraße stelle eine Provokation dar .,. das. heißt nicht die Ausstellung als solche, sondern bloß die ihr angefügte Schau „Zeichnungen der Schüler von Port Said", die im ersten Stock des Museums untergebracht 'ist. Niemand habe von diesem Annex gewußt, er sei hier für alle als peinliche Ueber- raschung gekommen.

Dagegen wandte sich in einer heftigen. Stellungnahme die Aegyptische Gesandtschaft.

„Die Aegyptische Gesandtschaft ist überrascht, feststellen zu müssen", heißt es in ihrer Aussendung, „daß die Kunstkritiker die Kunst mit der Politik verwechseln. Die Kinderzeichnungen wurden vom Publikum bewundert und keine hat sie mit politischen Tendenzen verbunden. Die Aegyptische Gesandtschaft begreift nun nicht, warum die österreichischen Zeitungen in diesem Zusammenhang nur England als den Staat erwähnen, gegen den die Propaganda gerichtet sein soll. Denn es ist wohlbekannt, daß der vorjährige Angriff nicht ausschließlich von England organisiert wurde . "

Ja, das alles ist wohlbekannt. Es hat wahrlich nicht der Kinderzeichnungen bedurft, uns daran zu erinnern. Die Folgen der Suezinvasion füllen noch heute die Spalten der Zeitungen.

Uns scheint die Aufregung ziemlich übertrieben. Daß die anglo-französische Invasion auch die Gemüter der ägyptischen Kinder, vor allem der Kinder von Port Said, beschäftigt, ist nur selbstverständlich; daß das, was sie. beschäftigt, auch in Zeichnungen seinen Niederschlag findet, ist ebenso selbstverständlich. Daß darüber hinaus die Lehrer in den Schulen die Kinder dazu angehalten haben werden, Fallschirmspringer und fliehende Menschen, sinkende Schiffe und brennende Häuser, weinende Mütter mit ihren verwundeten Kindern und Männer mit Tragbahren zu zeichnen, ist ihnen nicht zu verargen. Sie waren in einer glücklicheren Lage als die Lehrer in Budapest

Die Zeichnungen, soweit sie von Kindern stammen, sind nicht anders, als es Zeichnungen von Kindern zu sein pflegen. Sie haben echte Aussagekraft, und

es schadet nichts, wenn wir durch sie an die Luftangriffe auf Port Said erinnert werden. Einige der Zeichnungen allerdings scheinen gar nicht von Kindern — zumindest nicht von kleineren — zu stammen. Gleichgültig, ob da die älteren Geschwister oder die Lehrer mit Hand angelegt haben — sie wirken befremdend. (Für Besucher der Ausstellung: Wir meinen die großen, ohne Glas gerahmten Aquarelle.) Sie sind echter Kitsch. Und Kitsch ist immer eine Provokation. Ob er nun aus Aegypten oder aus Oesterreich kommt.

Begeben wir uns nun wieder ins Parterre, wo an die hundert Oelbilder, einige Graphiken und etliche Plastiken und Keramiken von lebenden ägyptischen Künstlern zu sehen sind. Ein erster Blick zeigt das durchaus respektable, fast internationale Niveau der Ausstellung. Zumindest sieht man, daß Aegypten Anschluß gefunden hat an die internationalen Kunstströmungen der Gegenwart, daß Kubismus, Fauvismus, Expressionismus — bei einzelnen Künstlern verbunden mit bodenständigen Elementen — das Gesicht der heutigen ägyptischen Malerei prägen. Nur die abstrakte Malerei fehlt, was langsam nicht mehr als Mangel empfunden wird.

Eine überragende Begabung ist nicht mit von der Partie. Am ehrgeizigsten scheint der heute 32jährige Salah Abdel Karim zu sein, der jetzt in Rom lebt und viel von Picasso gelernt (und auch abgeschaut) hat. In seiner „Graziella“ erkennen wir sogar Picassos Modell „Sylvette“ wieder. Sein politisches Bild (wie gesagt: nichts gegen zeitkritische Bilder, wenn sie gut sind!) „Port Said 30. Oktober“ ist eine schlechte Kopie von „Guernica“ (das wir heute zu den wesentlichsten Bildern der ersten Jahrhunderthälfte rechnen!). Wie Picasso töpfert Salah Abdel Karim auch, allerdings nicht ganz wie Picasso. Immerhin ist er eine der auffallendsten Erscheinungen der Ausstellung.

Noch ein zweiter kleiner Picasso ist vertreten: Mahmoud Abdel Rachid, der heute 36 Jahre alt ist. Auch er lebt in Rom und stellt nebenbei kunstgewerbliche Sachen (Vasen und Leuchter) her. Sein „St.-Markus-Platz" ist eine wohlgesetzte Komposition.

Malerisch bieten die Bilder von Effat Naghi, Hosni el Banani, Mohamed Naghi und Tahiya Halim am meisten. Sie sind im doppelten Sinne malerisch: ein-

mal handelt es sich hier um volle, farbkräftige Bilder, die von Bananis orientalisch-duftigen Impressionen bis zu Effat Naghis großflächig-bunten Gemälden reichen, und dann sind ihre Motive sehr „malerisch“. Daneben müssen Hamed Nada (geb. 1924) und Hamed Abdalla (geb. 1917) erwähnt werden, die beide in Kairo arbeiten. Ein kindliches, spielerisches Element ist in ihren Malereien. Schließlich fällt noch Abdel Hadi el Gazzar auf (geboren

1917, lebt in Kairo): durch abenteuerliche Perspektive und überlegte Farbgebung bringt er etwas Von der Atmosphäre alter Tempelkulte in seine Arbeiten.

Damit auch der Kitschfreund auf seine Rechnung kommt, fehlen die ägyptischen Filkukas nicht. Sie heißen Ahmed Sabry und Sanad Basta und malen süßliche Porträts und Sonnenuntergänge am Nil

Und damit basta.

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