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Erneuerung aus dem Geist

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Das jährliche Kirdienmusikertreffen in Mätrei am Brenner, die mu6ikliturgische Werkwoche, hat längst über die heimischen Grenzen hinaus lebhaftes Echo und Interesse gefunden; kaum aber konnte ihre geistige Wirkung überzeugender bestätigt werden als durch die wahrhaft europäische Teilnehmerschaft in diesem Jahre, die bedeutende und verantwortungsbewußte Kirchenmusiker aus Deutschland, der Schweiz, aus Holland, Frankreich und Italien mit den heimischen Teilnehmern zum gewaltigen Erlebnis der Heiligkeit, Allgemeinheit und künstlerischen Berufung der Mu6ica ecclesia in weltweiter Schau vereinte. Die Kirchenmusik wird hier nicht nach ihrem barocken, romantischen oder klassischen Habitus gewertet, sondern einzig nach dem Grade des liturgischen Geistes, der in ihr sich ausdrückt; nicht nach ihrer klanglich-sinnlichen Schönheit, sondern nach ihrer gottesdienstlichen Demut; nicht nach der Größe ihrer Partitur, sondern nach der ihrer Gebetekraft. Ihre Aufgabe ist nicht ästhetischer Genuß, sondern Gnadenvermittlung. Sie erwächst daher nicht aus subjektiver Projektion, vielmehr aus der opfernden Gemeinschaft. Darin Hegt ihre Heiligkeit und ihre Allgemeinheit; darin allein muß ihr künstlerischer Wert begründet sein. Denn wo Berufung des Herzens durch Ehrgeiz und Bravour ersetzt wird, wo Geschäftigkeit oder Bequemlichkeit sie zum Handwerk degradieren oder wo gar Gleichgültigkeit und Geringschätzung der kirchlichen Forderungen auftritt, dort entsteht die Ent-geistlichung und Verkonzertierung der Kirchenmusik, und die sie s o ausüben, sind ihre Totengräber, ob Chorleiter oder Sänger, Geistlicher oder Laie. Gegen diese Verflachung ruft Matrei zum Diakonat der Kirchenmusik und weist den Weg über da6 Diakonat des Kirchenmu6ikers.

Die Matreier Tage dieses Jahres waren ein Marienlob unter dem Motto „Salve mater“. Der geistliche Leiter, Prior P. Dr. Adelbert Roder (Mehrerau) zeichnete das dogmatische Bild Mariens In historischer Entwicklung nach. Uber das Madonnenideal in der Tonkunst sprach Prof. Franz Krieg (Wien), über das Muttergotteslied In der Gemeinde Msgr. Dr. Johannes Hatzfeld (Paderborn), der daneben beglückende Worte zur ersten Beteiligung Deutschlands an der Matreier Woche fand. P. Maurus P f a f f (Beuron) hielt einen choralkritischen Vortrag über das neue Proprium zu Maria Himmelfahrt. P. Oswald J a e g g i (Einsiedeln) erschloß in lebendiger Darstellung die Schönheit der marianischen Antiphonen. Franziskanische Züge zum Bilde Mariens gab P. Theophil Hecht (Sigmaringen). Vom Vorbild de6 gregorianischen Chorals ausgehend, ergab 6ich durch alle diese Ausführungen der Blickpunkt zu den volksliturgischen Versuchen, besonders der deutschen Gregorianik, worüber der Regens des Kölner Priesterseminars, Prof. Dr. Johannes Overath, Bedeutendes zu sagen wußte, während Abbe P a u 1 i n (Frankreich) und Domkapellmeister Amelsvoord (Holland) über ähnliche Bestrebungen in ihren Ländern und deren Einfluß auf Choral und Polyphonie berichteten, nicht ohne den unschätzbaren Wert des völkerverbindenden gregorianischen Chorals nachdrücklich zu betonen. Provikar P. Dr. W e c h n e r (Innsbruck) sprach als Vertreter des Bischofs das Schlußwort, das in der Forderung unbedingten Gehorsams gegen die Richtlinien der Kirche gipfelte und darin die Lösung aller kirchmusikalischen Divergenzen begründete.

Die künstlerischen Ereignisse der Woche waren die Uraufführung der M i s s a A n-c i 11 a Domini von Oswald Jaeggi und ihre Einstudierung unter Anton H e i 11 e r; beides darf auch in europäischem Sinne als vorbildlich bezeichnet werden; ferner die Gestaltung der marianischen Ve6per mit zeitgenössischen Gesängen, vor allem der Marienchöre von J. B. Hilber und des „Salve mater* von Jaeggi, unter Leitung von Prof, Paul N e u m a n n, des musikalischen und organisatorischen Betreuers der Matreier Wochen. In ihrer religiösen Erfülltheit waren jedoch Gemeinschaftsmesse, deutsche Komplet, Choralgesang und Polyphonie von gleicher 6eeli6cher Kraft und Andacht.

Vor neun Jahren von Bischof Dr. Paul Rusch ins Leben gerufen, ist Matrei aus unscheinbaren Anfängen zur Avantgarde kirchenmusikalischer Erneuerung aus dem Geiste und damit zur diakonalen Aufgabe europä6chen Formats geworden. Den heimischen Kirchenmusikern, den kleinen und großen, obliegt es, diese Aufgabe in besonderem Maße zu erkennen und sich ihrer würdig zu erweisen.

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