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Fritz Wotruba — Robert Müller

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In der Albertina — auch sie wird durch die Sparmaßnahmen schwer betroffen (so müssen wir u. a. auf eine Picasso-Ausstellung verzichten) — ist eine weitaus aufschlußreichere und für unsere Situation wichtigere Ausstellung zu sehen, die dem Werk Fritz Wotrubas gewidmet ist. Sie umfaßt mehr als 200 Zeichnungen, dazu Druckgraphiken, Ölbilder und Kleinbronzen, gibt also einen Querschnitt durch das Werk, bei dem der Akzent auf der Werkstattzeichnung liegt. Die Entwicklung der Zeichnung bei Wotruba geht einen sehr folgerichtigen Weg, der das Bild, das man aus seiner großen Ausstellung im Museum des 20. Jahrhunderts gewann, bestätigt und abrundet und auch erklärt. So die erstaunliche Wandlungsfähigkeit, die trotz einer gleichbleibenden Linie existiert. Sie bestätigt sich durch eine rastlose Suche nach dem Neuen, dem Willen zum Bestehen in der Maßstablosig-keit entmenschlichter Welt. Hier muß Funktionelles allein manchmal gering geachtet werden, und der Ausdruck Statik und Maß zersprengen, obwohl beides gemeint ist. In diesen Zeichnungen ist spät viel Dialogisches enthalten, unerbittliche Konfrontation ein dramatisches Textbuch für den Lesenden, wie die Bühnenentwürfe und Kostüme aufschlußreiche Kommentare einer Lektüre des Sophokles sind. In ihrer Fülle ist die Ausstellung vollkommene Preisgabe schöpferischer Potenz, wahrhafte Dokumentation der Arbeit — man muß sie gesehen haben, um vieles zu verstehen.

Bis zum 28. November ist im „Museum des 20. Jahrhunderts“ eine Ausstellung des Schweizer Plastikers Robert Müller zu sehen, die auf lange Zeit hinaus die einzige Sonderausstellung von internationalem Rang bleiben soll, da die derzeitige Budgetlage den Verzicht auf so wesentliche Ausstellungen wie „Otto Gutfreund“, „Licht und Bewegung“, „Frank Kupka“, „Max Beckmann“ und „Neue Tendenzen der Architektur“ und sämtliche Neuerwerbungen angeblich erzwingt. Robert Müller, 1920 in Zürich geboren, kommt aus der Werkstätte Germaine Richiers, deren Einflüsse bei ihm in den flgurativen Plastiken bis 1949 zu spüren sind. Diese Figuren zeigen großes Geschick, ein Auge für Wirkung und Volumen, ästhetische Formdifferenzierung, aber wenig Sinn für Statik und Funktion. Der Sprung in die ungegenständliche, aus Fundstücken zusammengesetzte Plastik, die Objekte oder Begriffe als emotionale Metapher verdeutlichen will, vollzieht sich im eigentlichen analog. Müller erliegt in ihr den falschen Schlüssen, die man aus Picassos „Stierschädel“ — jener mit Recht berühmten Metamorphose un($ Metapher aus Fahradsattel und -gouvernal —, aus den Eisenplastiken Picassos und Gonzales' gezogen hat. Die Plastik muß die Demonstration der Plastizität sein, der plastische Gegenstand selbst ist noch nichts Gestaltetes. Bei Müller ergeben sich daher nur Agglomerationen, und das Gestalterische geht nicht über das Arrangement hinaus. Am stärksten berühren noch einige frühe Versuche, darunter die „Larve“, das Produkt absurder Plattnerkunst, die hier gleichzeitig wieder ihre Maßstäbe setzt. Die Zeichnungen, snäter zum Teil stark an die des alten Klee erinnernd, aber ohne deren inhaltliche Bezüglichkeit, besitzen stark ästhetische Qualitäten, doch wenig Spannung.

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