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IM STREIFLICHT

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In den Maschen der Zensur bleiben zwar die Mücken hängen, die großen Kamele aber spazieren jeweils durch, meinte Bundesminister Dr. Kolb zum Thema „Zensur" auf einem festlichen Abend der rührigen Katholischen Filmgilde. Es sei daher angezeigter, den zahlenden Kinobesucher zum Bewußtsein seiner Macht zu erwecken und damit die Produktion nicht zu schurigeln, sondern quasi sanft nachzuziehen . .. Der Abend, an dem Kanonikus Doktor Rudolf an Bischof Dr. Schoiswohl und Ministerialrat Dr. Haustein die Urkunden ihrer Ehrenmitgliedschaft überreichte, verdient auch sonst noch, in die Ortschronik des Films einzugehen. Er fand im Wiener Filmhaus statt und sah, vom Hausherrn Kommerzialrat Hermann wohl mit Genugtuung vermerkt, ein deutliches Händereichen von hüben nach drüben, zwischen Kirche und Welt.

Bisher war die „Concert Hour"des amerika- nischen Militärsenders „Blue Danub« Network" — täglich von 15.03 bis 16.00 Uhr — durch eine beachtlich kultivierte Programmauswahl und -gestaltung ausgezeichnet. Man bekam ungefähr sechzig Prozent europäische und den Rest amerikanische Musik vorgesetzt, darunter oft interessante „Ausgrabungen", die im hiesigen Konzertprogramm selten aufscheinen (so etwa das G-dur-Klavierkonzert von Tschaikowskij, die frühen Dvofak-Symphonien, manchen ernstzunehmenden zeitgenössischen Amerikaner und vieles andere mehr), vor allem aber immer wieder mit ersten Solisten, Dirigenten und Orchestern. So weit, so gut. Seit einiger Zeit aber (unerfindlich, warum) greift im Programm der „Concert Hour“ ein oft geradezu deprimierender „Für jeden etwas"-Usus Platz; man bringt Bruchstücke aus Symphonien, Klavierkonzerten, Liederzyklen und womöglich Solowerken in buntem Kuddelmuddel … Schade. Oder sollte man im Schloß Kleßheim am Rand der Mozartstadt nicht wissen, daß gerade die „Concert Hour"hierzulande nicht wenige Freunde hat, die eine solche Aenderung von Niveau und Linie nur sehr mißvergnügt zur Kenntnis nehmen? Denn gerade die „Concert Hour"gehört zu den wenigen Besatzungsgeschenken, die man gern annahm. (Als Ausgleich für manche Lücke im eigenen Radioprogramm . ..) Oder muß das sein, daß man oft stundenlang auf sämtlichen Sendern nichts als Unterhaltungsmusik zu hören bekommt?

Die Oesterreichische Galerie in der Orangerie des Belvedere hat sich durch einen vor Jahresfrist ergangenen Ministerratsbeschluß in ein Museum österreichischer Kunst von ihren Anfängen bis zur Gegenwart verwandelt: das Oesterreichische Barockmuseum fand im Unteren Belvedere Aufnahme, und in . der Orangerie wurde das Museum mittelalterlicher österreichischer Kunst zu Ende des vergangenen Jahres eröffnet. Einstweilen ist das Museum aber noch in den Anfängen steckengeblieben, denn nach der Auflösung der „Modernen Galerie", die bis zum Jahre 1938 bestand, ist im Augenblick das einzig Moderne nur eine neu eingebaute moderne Klimaanlage. Man hört nun, daß noch im Laufe dieses Sommers das Obere Belvedere als Oesterreichische Galerie des 19. und 20. Jahrhunderts eingerichtet werden soll. Und was wird aus den Beständen nichtösterreichischer Bilder, die nach 1800 gemalt wurden? Sie wurden dem Kunsthistorischen Museum übergeben, wo sie einstweilen friedlich ruhen. Frühestens Ende 1955, so heißt es jetzt, könnten sie, nach Adaptierung der notwendigen Räumlichkeiten, dem Publikum zugänglich gemacht werden. Man wartet nicht gerne. Wann wird der Tag X kommen, an dem Staatsoper und Burgtheater wieder in ihren alten Häusern spielen, und in repräsentativen Galerien die Werke bildender Künstler der Gegenwart, seien sie nun Oesterreicher oder nicht, zu sehen sein werden?

Endlich scheint das Eis gebrochen zu sein,“' das bislang den Kulturfilm in Oesterreich umgab: Der Notring der wissenschaftlichen Verbände Oesterreichs beginnt eine Aktion „Der wissenschaftliche Film". Einmal im Monat werden im Auditorium maximum der Wiener Universität sehenswerte in- und ausländische Kulturfilme gezeigt und von Fachgelehrten erläutert. Das Unterrichtsministerium hat einen Kulturfilmpreis in der Höhe von 10.000 Schilling an einen Wiener und einen Kufsteiner Produzenten verliehen, die im vergangenen Jahr besonders aufschlußreiche und künstlerisch wertvolle Kulturfilme geschaffen haben. Der Preis wird alljährlich verliehen werden. Im Auftrag des niederösterreichischen Landesmuseums wurde ein ausgezeichneter Kulturfilm „Urzeitlicher Kupferbergbau im Raxgebiet" gedreht und in einer Sondervorstellung gezeigt. Einer der am Fuß der Rax ausgegrabenen Schmelzöfen wurde rekonstruiert und der Ablauf eines urzeitlichen metallurgischen Prozesses gezeigt. Ein Schauspiel, erregender als jegliche Gangsterei. — Und wann, so fragt man sich angesichts dieser erfreulichen „Frühlingsboten", werden all diese Filme im Beiprogramm der Wiener Kinos zu sehen sein?

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