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IM STREIFLICHT

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WJIENS Damenwelt — und-nicht nur diese! — hatte am vorigen Wochenende eine modische Sensation: der Pariser Modekönig

Christian Dior hatte acht seiner Starmannequins mit jener Kollektion kostbarster und elegantester Modelle nach Wien geschickt, die auch vor kurzem der Königin von England vorgeführt wurden. Da gab es für die wenigen Glücklichen, welche die enormen Eintrittspreise im Palais Auersperg bezahlen konnten, nicht nur viel zu sehen, sondern für die vielen ändern — auch allerhand zu lesen. Die Tageszeitungen berichteten sachlich-fachlich, feuilletonistisch, sozialkritisch usw. über das mondäne Ereignis. Was man aber aus dem Mund Maxi Böhms im Radio darüber zu hören bekam —- das sollte wohl volkstümlich-witzig sein, war aber nur grob und geschmacklos, widersprach also in peinlichster Weise dem Anlaß. Hier scheint betonter Provinzialismus gar nicht am Platz. Eine Modeschau ist keine Kabarettvorstellung.

TUT AN begegnet in Wien häufig Künstlern — Dirigenten, Sängern, Instrumentalsolisten —, die hier zwar keine Konzerte geben, aber trotzdem Musik machen. Nämlich vor den Mikrophonen ausländischer Schallplattenfirmen. Und die großen einheimischen Orchester machen die Begleitmusik dazu. Um etwa ein Fünftel jenes Preises, den die ausländischen Unternehmer bei sich zu Hause dafür zahlen müßten. Die so „gewonnenen" Tonbänder werden aber nicht etwa in Wien auf Matritzen umgespielt oder zu Schallplatten verarbeitet. Das geschieht alles im Ausland, wo für die fertigen Schallplatten dann Preise festgesetzt werden, die der Inländer durchschnittlich überhaupt nicht mehr bezahlen kann. Doch das nur nebenbei. Aber nicht nebenbei muß vermerkt werden, daß Oesterreich auf diese Weise Millionen Schilling entgehen. Weil es nämlich keine eigene Schallplattenproduktion aufgebaut hat

RA EHR als zwei Jahre lang war — vor allem infolge des plötzlichen Todes ihres aktivsten Dirigenten sowie finanzieller Schwierigkeiten — die Tätigkeit der österreichischen Sek- ; tion der „Internationalen Gesellschaft für neue Musik" unterbrochen. Nun legt der neue Generalsekretär, Prof. Erwin Ratz, ein Aktionsprogramm für das neue Arbeitsjahr vor. Im Unterschied zu früher will man vorläufig auf eigene — unter Umständen flüchtig vorbereitete — Konzerte verzichten und statt dessen interessante neue Werke in mustergültigen Aufnahmen auf Schallplatten oder Tonbändern vorführen. Einleitende Vorträge sollen diese Werke erläutern. Von pädagogischen Absichten zeugt ferner die Zusammenarbeit der IGNM mit der Akademie für Musik, die ihrerseits ein „Praktikum für moderne Musik" eingerichtet hat. Diese Entwicklung (weg vom Experiment und Bürgerschreck, hin zu einer Verbreiterung und Konsolidierung der Basis) scheint charakteristisch nicht nur für die IGNM, sondern für die ganze „moderne" Musik.

T JNERSCHÜTTERT von dem Schicksale des viereinhalb Meter hohen Obelisken, des sogenannten „Meid linder Künstler-Gedenksteines", der 1926 vom Zentralausschuß für Heimatforschung in Wien XII aufgestellt wurde, haben die Freunde der Heimatforschung am Neubau, der an Stelle des bombengetroffenen Geburtshauses von Anton Hlavacek in der Aichhom- gasse steht, eine Gedenktafel anbringen lassen und an einem trüben Novembersonntag von zwei Söhnen des Künstlers enthüllen lassen. Ein trüber Tag, fürwahr. Auffällig war schon der herzliche Dank an den privaten Hausbesitzer. (Sollte er die kulturelle Pietät geübt und in den Säckel gegriffen haben?) Dann: es war in der Musikstadt Wien nicht einmal ein Bläserchor aufzutreiben, der, man denke, drei Minuten Müsikeinstimmung geschenkt hätte; der führende Gesangverein des Bezirkes verweigerte seine Mitwirkung, weil der Maler Hlavacek nicht Mitglied war; „Vertreter der Gemeinde Wien" nannte der Begrüßer ausdrücklich — das Wort ergriffen sie ebensowenig, wie sie die bewußte „Obhut" übernahmen. Und der Uebertragungs- wagen des Rundfunks — ja, der hat an Sonntagen auf den Sportplätzen vermutlich übergenug zu „enthüllen".

Ar Prozent der im Jahre 1939 verzeichneten Bücher sind während des Krieges verlorengegangen. Der Gesamtbestand mit 1. April 1954 betrug 585.599 Bücher doch muß ein großer Teil als veraltet bezeichnet werden Auch die Zahl der Bibliothekare hat mit dem Lesehunger, v. nicht Schritt halten können. 1938 waren in den Volksbibliotheken 131 Bibliothekare tätig, 1953 nur 119, die aber doppelt so viele Leser als früher zu betreuen haben Die Planung der Abteilung für Volksbildung sieht eine Mehreinstellung von 104 Bibliothekaren, eine Anschaffung von 172.000 neuen Büchern vor, . . . die Errichtung einer neuen Zentralbibliothek Ja, richtig, w o das ist ? Kein Grund zu besonderer Freude. Die angeführten Zahlen stammen aus Berlin. Genauer gesagt, bloß aus dem westlichen Teil.

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