6572585-1950_27_07.jpg
Digital In Arbeit

Innsbruck im kulturellen Wiederaufbau

Werbung
Werbung
Werbung

Wer heute Tirol und seine Landeshauptstadt besucht, mag mit Genugtuung sehen, was Fleiß, Opfermut, treues Zusammenhalten zu leisten vermögen. Wenn auch noch bei weitem nicht alle die schweren Kriegswunden geheilt sind, so ist doch deutlich sichtbar, daß die Tiroler keine Mühe gespart haben, vor allem ihre Kulturstätten wiederherzustellen. Der edle Bau der Pfarrkirche St. Jakob geht in diesen Tagen seiner Wiederherstellung entgegen; Stift Wilten ist wiedererstanden, seine Stiftskirche noch in Arbeit; auch die Universitätskirche ringt sich langsam, aber unentwegt in die Höhe, Landhaus und Rathaus sind wiederhergestellt, eine durch opferfreudige Mitarbeit der Bevölkerung unter Initiative des Bischofs Dr. Paulus Rusch zustande gekommene Heilige-Jahr-Siedlung soll die schlimmste Wohnungsnot lindern helfen, und das Landesmuseum, kaum baulich vollendet, wird binnen kurzem in den neuerstandenen Räumen die größte und wertvollsteKunst-schau darbieten, die Tirol neben der Bozner Ausstellung „Tiroler Gotik“ (1948 und 1949) erlebt hat, die Ausstellung mittelalterlicher Tiroler Kunstwerke. Ein besonderer Wert dieser Kunstschau wird darin bestehen, daß man das Schaffen vieler der namhaftesten Tiroler Meister von den J u-gendwerken bis zu den reifsten Schöpfungen wird verfolgen können. Am stärksten wird jene Epoche vertreten sein, wo der erwachende Realismus, bei den einen noch tastend und schüchtern einsetzend (zum Beispiel Meister von Uttenhelm, Simon von Taisten, MarxReichlich), sich immerhin wacker emporarbeitet, bei anderen, wir nennen vor allem Friedrich Fächer, gleich im Sturm die neuen Positionen zu nehmen sich unterfängt. Er bringt durch diesen jugendlichen Sturm den ganzen, an Zahl nicht geringen Künstlerwald Tirols in Aufruhr, zeigt aber auch wesentliche Fortschritte. Und dann begegnet man auch M i-chael Pacher wieder, von dem man außer bedeutenden Werken seiner früheren Schaffensperioden, wie die Laurentius-Legende, die Krönung Maria der Münchner Pinakothek, ferner die Vermählung Maria und die Geißelung Christi aus Wien, auch einiges aus seiner vollendetsten Zeit zu sehen hofft. Es wird nicht das geringste der Verdienste dieser Ausstellung sein, daß durch sie die Frage nach der Provenienz der Marienstatue in der Waldauf-schen Kapelle der Haller Pfarrkirche, die zur Zeit den Pacher-Saal unserer Ausstellung krönen wird, neu ins Rollen gekommen ist; sie wird wahrscheinlich zu Michael Pachers Gunsten entschieden werden. Dann darf auch der Norden wie der Süden Tirols sich des Besitzes eines hervorragenden Werkes Michael Pachers, den Heinrich Wölfflin den „größten deutschen Künstler vor Dürer“ nannte, unbestritten erfreuen.

Noch ein Ausstellungsgeheimnis sei verraten. Die plastische Abteilung wird auch einen Findlingsblock aufweisen, der wahrscheinlich das Werk eines Nichttirolers, des berühmten Nürnbergers Veit Stoß, ist. Diese Plastik befand sich, wenig bekannt, in der Dorfkirche von Müs bei Hall in Tirol. Es ist eine ölbergszene.

Möge die Ausstellung, die durch wahrhaft beispielgebenden Idealismus und unter Einsatz vorzüglicher Kräfte zustande gekommen ist, das Interesse finden, das sie verdient: sie wird dem Besucher jenen inneren Gewinn schenken, den Betrachtung und Genuß edelster Schöpfungen der Kunst vermitteln.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung