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Münchens Brunnen plätschern

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München, Bayerns fröhliche Landeshauptstadt, hat neben weithin bekannten Attraktionen auch noch solche unbekannter Art zu bieten. Daß es an die 5000 Brunnen besitzt, die auf großen, staubigen Straßenplätzen ebenso wie in stillen Hinterhöfen und grünbewachsenen Privatgärten ihre Fontänen plätschern lassen, dürfte in keinem Reiseführer zu finden sein.

Da sprühen 'Wasservorhänge über den Rand riesiger Schalen, Nymphen und Zentauren lassen sich an heißen Sommertagen kühlen, Faune, Putten und Medusenhäupter sorgen dafür, daß es recht reichlich in die Becken rieselt. Da schäumt es aus geöffneten Blutenkelchen, rollt in mächtigen Kaskaden über blanke Steinstufen. Da tanzt, zischt und quirlt das kühle Naß über ornamentfreudige Renais-

sancefiguren ebenso wie über schlichte Glattheit neuzeitlicher Steinplastik.

Seit etwa einem halben Jahrhundert gilt München als klassische Brunnenstadt. Und zwar soll der Universitätsbrunnen von Friedrich Gärtner, dessen Vorbild in den Fontänen des Petersplatzes zu suchen sind, im Jahre 1844 den Typ des wasserreichen Brunnens nach München gebracht haben. Brunnen allerdings sind schon viel früher für die Stadt charakteristisch gewesen.

Die erste Blüte dieser einfallsreichen Wasserspeier soll in der Spätrenaissance stattgefunden haben. Der Perseusbrunnen im Grottenhof der Residenz, wo das Wasser aus dem geköpften Leib der Medusa springt, und die Q eilen- nymphe von Schwanthaler im Hof garten sind aus dieser Zeit erhalten geblieben.

Eine zweite bedeutende Phase erlebte Münchens Brunnenkunst in der Nachfolge Adolf Hildebrands. Der 1895 vollendete Wittelsbacherbrunnen am Lembachplatz gab dien Auftakt. Dieses imposante

Meisterwerk Hildebrands kann wohl als König unter Münchens Brunnen bezeichnet werden. Aus mächtigen Schalen sprüht das Wasser in ein weiträumiges Becken, in dessen . Arkadennischen phantastische und groteske Masken Wasser lassen. Daneben schäumt weiß und gischtig ein Wasserstrudel, und mystische Wassertiere tragen den steineschleudernden Mann und die schalenbietende Frau, welche die Kraft und den Segen des Wassers symbolisieren.

Um die Jahrhundertwende wurde eifrig in dieser Tradition weitergeschaffen. Es entstanden der N or- nenbrunnen Netzers, der Fortunabrunnen am Isartorplatz und der Rotkäppchen brun- nen von Düll und Pezold. Um nur einige zu nennen.

Mit dem dritten und bislang letzten Aufleben dieser Brunnengeschöpfe setzte sich München nach dem zweiten Weltkrieg einen Markstein. In Passagen und Innenhöfen moderner Wohnblocks sprudelt es feucht-fröhlich aus bestechend einfachen Gefäßen und Gestalten: wie die monumentale, blockhaft gebundene O ch s en g ru pp e am Rindermarkt. Fillers Wedekindbrun- n en am Wedekindplatz, dessen harfenhaltende Steinskulptur silberdünne Strahlen vergießt. Und Wimmers 1962 vollendeter Richard- Strauss-Brunnen auf der Kaufingerstraße, dessen Relief eine vollständige Darstellung der Oper „Salome" enthält. Der geringelte Bronzeleib der Riesenschlange Lothar Dietz’ in der Königinstraße und der Mosesbrunnen in der Maxburg. Auf einem spitzen Monolithen, einer Seltenheit aus der Eiszeit, steht die Bronzefigur des Moses von Josef Henselmann 1955 fertiggestellt. Mit der rechten Hand stößt er einen Stab in den Felsen, aus dessen Einschlagstelle ebenso wie aus der linken ausgestreckten Hand ein feinzerteilter Strahl sprüht: seht, aus dem Stein springt Wasser.

Ein besonderes Kapitel in Münchens Brunnengeschichte bilden die Volkssängerbrunnen am Viktualienmarkt: der Karl-V alentin-

Brunnen, der Weiss-Ferdl- B runnen und jener der Liesl Karlstadt. Karl Valentin, ein spindeldürres Männchen im charakteristischen Gehrock, engen Röhrl- hosen. Melone und Zylinder, steht ein wenig unsicher, fragend und beklommen in der unteren Schlaufe eines großen Fragezeichens. Und bringt damit treffend zum Ausdruck, was Valentin zeit seines Lebens beschäftigt und großgemacht hat: das ständige Bewältigenmüssen einer Umwelt, in der nichts selbstverständlich, in der alles fragwürdig Ist. Nicht weit davon entfernt die dralle Bronzestatue Liesl Karlstadts, der Lebensgefährtin Valentins, die mit einer leichten und lächelnden Gebärde ihre linke Hand hochhebt. Auch Weiss Ferdil, dieser bekannte Volkssänger, durch den das „Platzl“, wo er mehr als 35 Jahre auftrat, weltberühmt geworden ist, hat hier mit der Brunnenfigur Josef Erbers ein Denkmal erhalten.

So plätschern Münchens Brunnen ein Stück Stadtgeschichte in ihre Becken. Still versonnen oder kräftig rauschend. Aber so, daß es jeder hören kann.

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