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Musica viva

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Im Großen Saal des Musikvereins leitete Friedrich Cerha ein von der Musikalischen Jugend gemeinsam mit dem österreichischen Rundfunk veranstaltetes Konzert mit einem interessanten Programm. Daß der Dirigent des Abends, Friedrich Cerha Jahrgang 1926), nicht nur als künstlerischer Leiter der „reihe“, sondern auch als Komponist internationale Anerkennung gefunden hat, bezeugen die Premieren seines in den Jahien 1960/61 konzipierten Zyklus „Spiegel“ I—VII (der letzte Teil ist noch nicht vollendet). Von den an diesem Abend gespielten Orchesterstücken wurden Spiegel I in Warschau, Spiegel II in Donaueschingen, Spiegel III in Stockholm und Spiegel VI in Hamburg uraufgeführt.

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Im Großen Saal des Musikvereins leitete Friedrich Cerha ein von der Musikalischen Jugend gemeinsam mit dem österreichischen Rundfunk veranstaltetes Konzert mit einem interessanten Programm. Daß der Dirigent des Abends, Friedrich Cerha Jahrgang 1926), nicht nur als künstlerischer Leiter der „reihe“, sondern auch als Komponist internationale Anerkennung gefunden hat, bezeugen die Premieren seines in den Jahien 1960/61 konzipierten Zyklus „Spiegel“ I—VII (der letzte Teil ist noch nicht vollendet). Von den an diesem Abend gespielten Orchesterstücken wurden Spiegel I in Warschau, Spiegel II in Donaueschingen, Spiegel III in Stockholm und Spiegel VI in Hamburg uraufgeführt.

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Kurz charakterisiert, besteht das erste Stück aus wandernden Klängen, das zweite für 55 Streicher ist mehr monochrom, Spiegel III zeigt aufgefächerte Klangflächen, in die ganze Passagen von einem Tonband eingeblendet werden, auch gibt es Pulsationen, die wieder zur Ruhe des Anfangs zurückkehren; das letzte Stück ist das bunteste, rhythmisch bewegteste, und es ist anzunehmen (und zu hoffen), daß Cerhas weitere Versuche sich in dieser Richtung bewegen werden. Denn diese vornehmlich statische Musik, wie sie auch Ligeti in „Atmosphäres“ produziert, nützt ihren anfänglichen Effekt rasch ab und wirkt, infolge Fehlens der rhythmisch-melodischen Komponente, leicht monoton (Gesamtdauer der fast gleichlangen Stücke etwa 40 Minuten). Das Orchester dies ORF hat unter der Leitung des Komponisten Hervorragendes geleistet und sowohl was Technik wie Homogenität des Klanges betrifft einen authentischen Eindruck von den überaus schwierigen und neuartigen Werken vermittelt.

Strawinskys Variationen in memo- riarn Aldous Huxley sind für großes Orchester geschrieben und dauern insgesamt fünf Minuten. Die als Meisterwerk gepriesene Komposition erweist sich als eine der sprödesten des großen alten Mannes der Neuen Musik und bann nach einmaligem Anhören kaum beurteilt werden.

Effektvoll beendet wurde das interessante Konzert mit der österreichischen Erstaufführung von „Three Places in New England“, 1903 bis 1914 von dem ersten bedeutenden Komponisten geschrieben, den Amerika hervongebracht hat (der zweite war George Gershwin); Charles įves. 1874 in Connecticut geboren, studierte er Musik an der Yale-Uni- versity, wurde Organist, kam 1902 nach New York und zog sich 1930 ins Privatleben zurück, nachdem er ein großes Vermögen — freilich nicht als Organist oder Komponist, sondern als Direktionsmitglied einer Versicherungsfirma erworben hatte. įves starb 1954 in New York, sein reichhaltiges und bedeutendes Opus wurde erst wenige Jahre vor seinem Tode entdeckt.

Um ein bis zwei Jahrzehnte früher als in Europa experimentierte er, ein genialer Einzelgänger, mit Polytonalität, Polymetrik, Vierteltönen und aleatorischen Prozeduren, indem er dem Interpreten innerhalb gewisser Grenzen Entscheidungsfreiheit gewährte. So in dem letzten der drei von Friedrich Cerha dirigierten Orchesterstücken, das, einem Gedicht R. U. Johnsons folgend, den Fluß Housatonie beschreibt, wobei gewisse Phrasen und Figuren nicht genau im Zeitmaß ausgeführt werden müssen, sondern ungenaue Dauer haben können, „wie das Wechseln von Flut und Ebbe“. Der erste Satz der Suite aus Neuengland schildert den Marsch des farbigen Regiments des Obersten Shaw, der mitt-

• In einer Ausstellung, veranstaltet von „Künstler helfen Künstlern“, werden vom 2. bis 9. Dezember im Palais Palffy, I, Josefsplatz 6, Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Plastiken von Künstlern der Bühne und des Films gezeigt. Über 150 Exponate, alles Geschenke der Ausstellenden an den Verein Künstler helfen Künstlern, werden im Rahmen einer Auktion am 9. Dezember um 17 Uhr versteigert, wobei Maxi Böhm als Auktionsleiter fungiert. Der Erlös fließt dem Künstleraltersheim in Baden zu.

lere, Quick Step Time, ist der Erinnerung an die entbehrungsreichen Winterquartiere 1778/79 des Generals Israel Putnam gewidmet.

Doch dürfen diese zuweilen etwas naiven programmusikalischen Kommentare, wie sie įves oft seinen Kompositionen miitgegeben hat, von der hochinteressanten musikalischen Faktur nicht ablenken. In jedem der drei Sätze gibt es Techniken und Effekte, wie sie 20 Jahre später von Milhaud, Strawinski, Schönberg und — noch viel später — von Cage und Stockhausen praktiziert wurden.

Man sollte mehr įves spielen, um wahrzunehmen, daß jenseits des großen Wassers früher einmal neue Musik gemacht wurde — im Unterschied zur Gegenwart, wo uns aus den USA fast ausnahmslos nur Epigonales zu Ohren gekommen ist..

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