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Russische Meister der Musik

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Die Bemühungen um eine eigenständige Oper begannen in Rußland mit Glinka. — Serow, Theoretiker und Komponist der national-romantischen Gruppe, empfahl die Märchenoper und den phantastischen Stoff. Einen Versuch mit unzureichenden künstlerischen Mitteln unternahm Dargomyschski in seiner Oper „Russalka“ nach Puschkin. Eigentliche Lösungen aber fand erst die Gruppe der „Fünf“, >das ;,mächtige Hätiflein“, zu dem auch Mussorgsky gehörte, der geniale Dilettant — wie er sich selbst gerne nannte. Genial war die Kühnheit seines großen Wurfes; dilettantisch die Geringschätzung alles Technischen, selbst der Instrumentation. „B o r i s G o d u n o w“ ist das Meisterwerk eines neuartigen und hintergründigen Realismus. Soworü auf dem Gebiet der Oper als auch auf dem der allgemeinen Musiktheorie waren die russischen Komponisten durch die Tradition weniger belastet und gebunden. So waren Kräfte frei für eine grundlegende Erneuerung des konventionellen Opernstils: das Folkloristische erscheint nicht als Einschlag, sondern in seiner ganzen ursprünglichen Gewalt; disparateste Stilelemente, wie frühchristliche Hymnik und alte Kirchentonarten, Volksljjd und Tanzrhythmus, werden nicht etwa „eingeschmolzen“, sondern stehen — wie die Harmonien und die Klangfarben des Orchesters — un-vermischt nebeneinander. Das einigende Band ist die starke Persönlichkeit des Komponisten, die uns heute noch so fasziniert als sei er ein Lebender. Seine auffallendsten Merkmale sind: knapper Ausdruck, eine treffende Charakterisierungsgabe, eigenwillige Harmonisierung und Durchbrechung der Symmetrie auch der kleinsten! Formelemente.

Die Neuinszenierung der Sraatsoper (Lothar Wallerstein) wurde den Anforderungen des Werkes etwa zur Hälfte gerecht. Alle technischen Probleme wurden sauber gelöst, die Bühnenbilder nach Entwürfen von Alexander Benois wafen stilvoll, malerisch — aber etwas zu einheitlich. Clemens Krauß leitete die Aufführung korrekt, ohne den besonderen Stil Mussorgskys zu treffen. Die Mängel der Inszenierung traten in den beiden ersten Bildern besonders deutlich zutage. Der Schluß hatte

Leben und Atmosphäre. Die Besetzung der Hauptrollen war gut, zum Teil sehr gut. Paul Schöffler als Boris und Elisabeth Höngen als Marina Mnischek verdienen besonders hervor“ gehoben zu werden.

Während die älteren russischen Komponisten von Glinka bis Mussorgsky kühn ihren Fuß auf musikalisches Neuland setzten zeigen die z e i t-genössischen russischen Komponisten mehr konservative Züge. Trotz gelegentlicher Dissonanzen, gewaltiger dynamischer Effekte und betonter Rhythmik ist die Tonsprache der jungen Sowjetkomponisten eher der Spätromantik und dem Impressionismus als der „Neuen Musik“, etwa der zwanziger Jahre, verwandt. Das trifft sowohl auf die Harmonik als auch auf die formale Struktur der Werke zu. Die Gründe hiefür sind in dem Streben nach Gemeinverständlichkeit zu suchen. Geblieben ist — als besonderer Reiz der neuen russischen Musik — die Verwendung volkstümlicher Elemente und ein sehr ausgeprägter Klangsinn. Wir hörten Proben zeitgenössischer Musik aus Rußland in dem von Rudolf Moralt dirigierten Festkonzert mit den Wiener Symphonikern. Ein farbenprächtiges, klanglich fast überladenes Tongemälde ist der „Georgische symphonische Tanz“ von V. Muradel i. Chatscha-turians Cellokonzert zeigt eine ähnliche Anlage wie das in Wien mehrmals gespielte Violinkonzert, freilich ohne die Prägnanz und rhythmische Schlagkraft von dessen erstem Satz. Der zweite Teil des Cellokonzerts, in breitem Dreivierteltakt, ist eine Art orientalisches Nocturno, der dritte ein buntes Mosaik reizvoller Tanzepisoden. Die Wiedergabe durch S. Knuschewitzkij war meisterhaft. Die vollendete Interpretation kam auch der originellen Komposition von R. Glier zugute (Konzert für Koloratursopran und Orchester). Das Konzert vermittelte einen guten Uberblick über die neue, aus der Folklore inspirierte Musik des neuen Rußland und machte uns mit einer Reihe wirklich hervorragender Solisten bekannt, durch die sich Rußland von jeher ausgezeichnet hat.

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