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Slawische Gäste

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Anläßlich des jugoslawischen Staatsfeiertages fand im Großen Musikverein ssal ein Orchesterkonzert statt, in dem der junge Direktor der Oper in Ljubljana und Leiter der slowenischen Philharmonie, Samo H u- b a d, vier zeitgenössische Werke dirigierte. Die Komponisten gehören alle den Jahrgängen 1890 bis 1900 an, waren schon vor 1945 bekannt und gelten im heutigen Jugoslawien als repräsentativ. Am weitesten vorne steht Slavko Osterc mit seiner „Suite für großes Orchester". Seine Melodik ist einprägsam, die Form klar, die Harmonik hart und eigenwillig. Die 5. Symphonie von L. M. Skerjanc ist breit angelegt, vielleicht etwas zu breit für die Substanz, zeigt liedhafte Melodiebildungen und eine vom französischen Impressionismus beeinflußte Harmonik. Von Kresimir Baranovic hörten wir einen Zyklus von Orchesterliedern auf Texte von Fran Galovic („Aus meinen Bergen"), deren Interpret der jugendliche Vladimir Ruzdjak war, in dem wir einen ausgezeichneten Puccini-Sänger vermuten. Der bekannte „Symphonische Kolo" von Jakov Gotovac bildete den wirkungsvollen Abschluß des Konzerts, das einen durchaus positiven Gesamteindruck hinterließ. (Es spielten die Wiener Symphoniker.)

Wesentlich weniger befriedigte ein durch Kompositionen illustrierter Vortrag von Alois Haba im Rahmen des Zyklus „Die musikalischen Probleme unserer Zeit", der von der Gesellschaft der Musikfreunde gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik durchgeführt wird. Häba ist vor allem als Pionier der Viertel- und Sechsteltonmusik bekannt, und es wäre interessant gewesen, einmal Authentisches über die theoretischen Grundlagen dieser Experimente zu erfahren. Diesen sachlichen Teil tat Häba leider sehr kurz und oberflächlich ab, berief sich auf das Vorkommen von Vierteltönen in der mährischen Volksmusik, vor allem in den Liedern, und verbreitete sich dann ausführlich über den Stand der Musikpflege in der neuen tschechoslowakischen Volksrepublik: über den engen Kontakt zwischen den Komponisten und ihrem Publikum, über das ideale Verhältnis der schaffenden Künstler untereinander, über Komponistenkongresse und gemeinsam gefaßte Beschlüsse, nach denen sich dann alle „in bewußter Freiheit" richten und dergleichen. Aufschlußreich war auch das Bekenntnis des Komponisten Häba, daß er „drei Hasen gleichzeitig" jage; er schreibt streng diatonisch für Arbeiterchöre, chromatisch sowie in Viertel- und Sechsteltönen für sich und ein engeres Publikum. An Schallplatten und Klavierkompositionen wurden die Ergebnisse seiner Musikübung in leider wenig überzeugender Form demonstriert. Auch für seine theosophischen Ansichten blieb uns der Komponist jede ernstzunehmende Erklärung schuldig.

Den polnischen Pianisten Wladyslaw Kedrą hatten wir im Rahmen eines Chopin- Festkonzerts kennengelernt, wo er nicht recht zum Zuge kam. Nun stellte sich der Künstler mit einem umfangreichen Programm vor, das ein allgemeines Urteil ermöglicht. Eine Reihe kleinerer Werke neuerer polnischer und russischer Komponisten bildete den ersten Teil. Dem Werk Chopins war die zweite Hälfte der Vortragsfolge gewidmet, für dessen Interpretation Kedrą alle wichtigen Voraussetzungen besitzt: Kraft (Sonate b-moll und Scherzo b-moll), Sensibilität (Walzer, Mazurken) und eine meisterhafte Technik. Nach diesem Konzert hatte man den Eindruck, daß Chopin in idealer Weise eben doch nur von seinen Landsleuten interpretiert werden kann und daß unter diesen Kedrą in der ersten Reihe steht.

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