6725853-1965_31_15.jpg
Digital In Arbeit

Abgesang der Romantik

Werbung
Werbung
Werbung

Uber dem Dach des Schlosses Greinburg weht die Fahne des Schloßherrn, des Prinzen Josias von Sachsen-Coburg und Gotha in der sommerlichen Bläue. Unwillkürlich denkt man an das Globe Theatre, denn auch hier ist das Panier aufgezogen, zum Zeichen dafür, daß ein Schauspiel stattfindet. Im Arkadenhof, rund um den steinernen Brunnen, entfalten sich die dunkel leuchtenden Blüten der Poesie der sterbenden Romantik: unter der Regie von Hilde Günther führt das junge Wiener Ensemble der Greiner Sommerspiele als zweites Stück Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“ auf.

Diese vielschichtige Dichtung, die „Wetterscheiden-Komödie“ zwischen Schwärmerei und banger Frage nach der Realität einer Welt, in der sich die große Bruchlinie auftut, zwischen in müden Valeurs abgetönter Melancholie und satt ausgefärbter Komik, dieses Geniewerk des Zwanzigjährigen, der wie ein Komet in einsamer Höhe auftauchte, um rasch wieder zu verglühen, fand hier unter dem oberösterreichischen Sommerhimmel eine wohlgelungene Interpretation. Jeder der Mitwirkenden hatte sich schon mit dem ersten Satz seines Textes freigespielt und den Kontakt mit dem Publikum gewonnen. Vor allem Wolfgang Quetes, der Leonce der Aufführung, der die zwiespältigen Wesenszüge der Gestalt, das naiv kindlich Versponnene und das hamlethaft Grüblerische mit viel Einfühlung in den poetischen Reichtum seiner Rolle abschattierte. Eine schöne, in sich geschlossene Leistung. Peter Geiger als gefräßiger, mit einer gesunden Portion Mutterwitz begabter und mit den rein irdischen Genüssen vollauf zufriedener Valerio ließ seinem komödiantischen Talent die Zügel schießen und stellte einen jungen Sancho Pansa auf die Bühne, dem bei guter Kost sicherlich der Wanst wächst. Besonders in der bizarren Automatenszene war er mit Lust in seinem Element. Für die traumwandlerische Prinzessin Lena fand Tua Paller den richtigen schwebenden Ton, Johanna Ltndin-ger als zigeunerhafte Rosetta, auf Moll gestimmt, wirkte wie eine Gestalt aus einem Volkslied vom Scheiden und Meiden, Inge Bert als Gouvernante Lenas war nicht ganz von Operettenallüren frei. Den Herren Walter Richard Langer und

Michael Gert fiel es zu, abwechselnd als Hofschranzen, Polizeidiener und im Dialog des Landrates mit dem Schulmeister in Erscheinung zu treten, eine personelle „Einsparungsmaßnahme“, die sich aber keineswegs als nachteilig erwies, denn die beiden Wackeren zeigten sich in den verschiedenen Sätteln durchaus gerecht. Die Szene, da die armen Bauern zum Vivatrufen abgerichtet werden, ist übrigens geschickt gelöst: ein Paravent mit aufgemalten „Pappkameraden“ ersetzt die Komparserie. (Hilde Günther zeichnet auch für die szenische Gestaltung verantwortlich.) Ebenso ist auch der Staatsrat des guten alten Königs Peter — Fritz Puchstein legt in diese Rolle die liebenswürdige Harmlosigkeit eines bejahrten Kindes — nur in effigie vorhanden.

Die kurzen Musikeinblendungen, darunter auch eine Aufnahme von sehr anspruchsvollem transparentem Jazz, waren geschickt ausgewählt, bis auf Debussys etwas abgespielten „Clair de Lüne“ für die Nachtszene. Da hätte man nicht den Gepflogenheiten der Rundfunkregie von Anno dazumal folgen sollen, das bekannteste und nächstliegende, der Stimmung adäquate Werk aus dem Plattenarchiv zu holen. Dies so nebenbei. Ansonsten erfüllte das Spiel im Renaissancehof alle Erwartungen. Der animierte Schlußbeifall bewies es.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung