6619168-1955_51_11.jpg
Digital In Arbeit

Alja von Rachmanowa: „Sonja Kowalewski“

Werbung
Werbung
Werbung

Mit dem Segen und Fluch des „Wunderkindes“ behaftet, frühreif und früh aus Heimat und Elternhaus gedrängt, immer hungernd nach Liebe und immer enttäuscht — keine Gleichung, die glatt aufgeht: das ist das in unruhigen Kurven zuckende Leben und Schicksal• der russischen Mathematikerin und Frauenrechtskämpferin Sonja Kowalewski (1850 bis 1891). Ihr Werk, unangefochtene, bleibende Untersuchungen über Funktionentheorie und Differentialgleichungen, liegt klar vor uns. Ihr Leben, voll Widersprüchen und kaum zu erahnenden subtilen See lischen Schwingungen, war bisher in manches Dunke getaucht. Mit dem gründlichen Quellenstudium dei Wissenschaft, zugleich aber mit der schöpferischei Kraft der Dichtung nachgebildet, liegt es nun sei dem 100. Geburtstag der Kowalewski in dem bedeu tenden Roman Alja Rachmanowas „Sonja Kon w a 1 e w s k i“ (2. Auflage. Rascher-Verlag, Zürich 350 Seiten) klar vor uns. Der heiße Atem der Dich terin mischt sich mit dem kühlen Charme des Ob jektes': der Frau und Forscherin. Das ergibt ein be zauberndes Romanwerk und zugleich einen gewich tigen Beitrag zur Geistesgeschichte des vorigen Jahr hunderts.

Gerhard Bohlmanns Diokletian-Roman „D e vergessene Kaiser“ (Paul Neff Verlag, Wien Berlin-Stuttgart, 405 Seiten) hat wohl die Glut, nich aber auch die notwendige Geisteskontrolle echte Dichtung. Das maßlos freie Umspringen mit Per sonen, Zeit- und Geschichtsabläufen ist erschreckend

Disziplinierter, bei aller abenteuerlichen Fabulier lust, gibt sich Stefan A n d r e s in einer kunstvolle Fuge von deutschen Nachkriegsschicksalen in Italien , D i e Reise nach P o r t i u n c u 1 a“ (Verla R. Pieper & Co., München, 277 Seiten). Es wieg nicht so schwer wie „Utopia“, aber „leicht“ ist nocl nicht, unbedeutend.

Das mag auch für Bruno Brehms „Au Wiedersehen, Susanne“ (Verlag R. Pieper i Co.. München, 308 Seiten) gelten; es ist federleichi aber hir.'e-jründig.

Gar nicht leicht macht es sich und uns Regina U 11 m a n n in den Erzählungen „Schwarze Kerze“ (Benziger-Verlag, Einsiedeln, 168 Seiten). Aber es lohnt sich, einzudringen. Herzensreichtum und hohe Sprachkultur stecken darin.

Welt im Buch (Verlag Kurt Desch) hat „Theodor Fontane: Werke“ aufgelegt. Sagt nicht, daß Staub über diesem Hohe- und Grablied der wilhelminischen Zeit liegt! Die Balladen klingen noch, die „Effi Briest“ bleibt ein Werk der Weltliteratur. Aber auch die anderen, klug ausgewählten Romane und das Nachwort von Josef Hans Mündt dieser 1232 Seiten starken Dünndruckausgabe kann man heute noch in einem Zug lesen.

Prosa in Reihen, Serien ... das gibt es heute. Der kurze, gehetzte Atem der Zeit scheint sie zu verlangen. Die „Bibliothek Suhrkamp“ wählt mit Liebe und Sorgfalt aus. Erzählendes („Quick“ von Monique Saint Hellier), Betrachtendes (Ernst Penzoldt: „Der dankbare Patient“, Gotthard Jedlicka: „Anblick und Erlebnis“) und Essayistisches (Fritz Ernst: „Aus Goethes Freundeskreis“ u. a., wobei einem besonders das Stück „Friedrich Nietzsche und die Russen“ den Atem nimmt). — In flottem Flusse auch die Fischer-Bücherei: Pearl S. Bucks „Stolzes Herz“, „Albert Schweitzer — Genie der Menschlichkeit“. Marianne Langewiesches „Königin der Meere“, Johan Bojers „Lofotfischer“ sind bedeutend: wertvoll Richard Gerlach „Ich liebe die Tiere“ und J. Hartmann „Das Geschichtsbuch biz zur Gegenwart“ (einzelne Einwände aus österreichischer Sicht); etwas enttäuschend Jochen Kleppers Erstlingsroman „Der Kahn der fröhlichen Leute“, gefährlich die abgebrühten Lebensweisheiten B. Travens („Der Banditendoktor“) ; auch das hohe literarische Werturteil über „Das Tagebuch der Anne Frank“ kann ich bei aller Achtung vor dem tragischen Schicksal der Verfasserin (die 16jährige starb im Vernichtungslager Bergen-Belsen) nicht teilen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung