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Angeschrien von der Stunde Schlag
EIN OFFENER BOGEN. Gedichte von Salvadore Quasimodo. 128 Seiten. Preif 12.80 DM. — ZEITGEDICHTE. Deutsche politische Lyrik seit 1945. Herausgegeben von Horst Bingel. 131 Seiten. Preis 3.80 DM. Beide im Verlag R. Piper, München.
EIN OFFENER BOGEN. Gedichte von Salvadore Quasimodo. 128 Seiten. Preif 12.80 DM. — ZEITGEDICHTE. Deutsche politische Lyrik seit 1945. Herausgegeben von Horst Bingel. 131 Seiten. Preis 3.80 DM. Beide im Verlag R. Piper, München.
Die Lyrik Quasimodos wurde zwar mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, aber damit keineswegs aus ihrer Unpopularität erlöst. Der Band, der einen zweiten Vorstoß in den deutschen Sprachraum unternimmt, enthält neben den Originalen jeweils die deutsche Nachdichtung von Gianni Selvani. In beiden Sprachen erschließt sich das Werk schwer. In den gewahrten und streng gepflegten Formen der italienischen Lyriktradition werden verfremdete Inhalte, kritische Assoziationen, anarchistische Ausfälle dargereicht. Im Krieg zwischen Lied und Rede stehen stille Niemandsländer des reinen Gefühls.
„Denk an die Unschuld des Frevlers der Mythen, o Ewiger, und die Verzückungen der unheilvollen Stigmata.
Er trägt dein Zeichen von Gut und
Böse und die schmerzenden Bilder der Heimat der Erde."
Der Glaube, der in den Gebeten aufbricht, gehört einem pazifistischen’ Fortschrittsgott. Das kindliche Vertrauen ist groß. Weil all das so ferne von Ideologien ist, rührt es den Menschen zutiefst an. Man muß diese Gedichte oft lesen.
Das politische Gedicht hat heute seiner Form und seiner Bedeutung nach einen Wandel durchgemacht, der ihm gutgetan hat. Die abschreckenden Beispiele („Es zittern die morschen Knochen “) aus den Diktaturen haben die politische Lyrik im sogenannten freien Westen in der Nähe des Kabaretts angesiedelt.
Den modernen Lyrikern war das Zeitgedicht eine wertvolle pädagogische Selbsthilfe, die sie aus der Verstiegenheit zum verständlichen Ausdruck zurückholte. Der Humor, die größte Rarität der Gegenwartslyrik, hat — zwar in seiner unfreundlichsten Spielart, dem Zynismus — in den Zeitgedichten letzte Heimstatt gefunden. Das Spektrum der lyrischen Äußerungen aus 18 Jahren einzufangen war verdienstvoll. Horst Bingel legt das Resultat vor.
In sieben Themenkreisen werfen die Dichter ihren Zeitgenossen ihre Untaten vor. Kadavergehorsam, Spießbürgersattheit, Wirtschaftsmoral, Atomrüstung — und natürlich die Mauer zur „Zone“. Die Autoren sind durchweg aus der Kriegsgeneration. Die ganz Arrivierten des Genres — wie Erich Kästner — fehlen.
Paul Celan und Thomas Bernhard sind die einzigen Österreicher, die in dieses Buch geraten sind. Denkt man an Zeitgedichte, die hierzulande von Franz Kiessling, Karl Anton Maly oder Bertrand Alfred Egger geschaffen werden, so kann man nur bedauern, daß sich der Herausgeber solche Bereicherung entgehen ließ. Aber vielleicht wird bei uns manches in zu liebenswürdiger Deutlichkeit gesagt. Es gibt ja auch heute noch Leute, die den Österreicher Karl Kraus für einen weit- und zeitfremden Dichter halten. Hoffentlich schließen die österreichischen Politiker aus der Konstellation nicht, daß sie in den Augen der Dichter um so vieles besser sind.
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