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ANTON PILGRAM

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JER KANZELFUSS-PILGRAM I

Wer ruft? Was willst du, fremder Braus? Hie innen ist der Stille Haus! Nichts für Frau Welt und ihr Gesind ihr wohl in meiner Werkstatt findt. Was in der Still mir aufgewacht, das hab ich hie zu Form gebracht. Mit Maß und Zirkel auf dem Plan hab ich es klärlich kundgetan, jed Stuck gar ziersam ausgeschmückt, wie es der schauend Geist erblickt. Hab es darnach, so grob als fein, gehauen in den harten Stein. Werk ich mein Tag' mit Zucht und Ehr, braucht's keinen Schein von außen mehr. Hie innen brennt mir alles Licht, mich störet nur, was drauß geschieht, und euerm Markt- und Gassenwert . hab ich mich füglich abgekehrt. So schlag ich denn mein Fenster zu: .Welt, laß mir Ruh!

II

Welt, laß mir Ruh!“ Hab ich's gesagt, dann nehm ich's z'ruck, denn allweil tragt

'der Mensch Verlangen nach der G'mein, es leidt ihn nimmer wohl allein.

Doch findt er endlich G'meinsamkeit, dann währt's nit lang, gibt's Kampf und Streit

's ist seltsam, daß wir Menschenkind doch allzusamm so streitbar sind, so flink betört von Satans Macht.

— Dann greinst du, Mensch, wann's blitzt und kracht! — Und so geht's schon von Urzeit her. O Mensch, hast du nit g'nug Beschwer an Leibs Gebresten, Kummer, Tod? Was mehrst du deines Daseins Not? Ich hab's nit besser tan denn ihr, drumb ziemet itzt zu reden mir; denn aus dem Licht der Ewigkeit schaut einer anders auf die Zeit. ItZt wüßt ich wohl, wie's besser war zu machen, hab die Zeit nit mehr. Ihr habt die Zeit, nutzt sie mit Macht, Gott gibt euch Wahl, seid des bedacht! Ihr wähnet mich in Grabes Ruh? Ich bin nit tot, ich schau euch zu!

DER ORGELFUSS-PILGRAM I

Als Meister, und zum Werk bereit, hab ich mich treulich konterfeit.

Doch schau ich nit mit Unbeschwer auf euch als wie ein Junger her.

Denn wie ich einst in Kräften war, so druckt mich itzt die Last der Jahr.

Und zu der .Jahrlast, die mich bückt, die ander Last des Werkens druckt, die Müh, so ich nit lassen han, da ich für Gott das Werk getan.

Solch Werk, wie's aufwachst Schritt für Schritt, dem Meister nimmt's die Lebkraft mit.

So schauet denn, wie mich die Welt und Schaffens Müh hat hergestellt, ich weis euch's wie in Spiegels Grund: die Augen müd und gram der Mund, entfleischt die Wang, mit Furchen kraß, die Stirne schwer, die Schultern laß, ein Mensch, der schon der Zeit entfleucht und dem nur eins von Wesen deucht, das, so er schafft. Und des zum Pfand halt ich mein Werkzeug in der Hand.

Und der mich also sieht, der merk:

Der Mensch vergeht, es bleibt das Werk.

II

Wo ich mein Zeit gewerkt, geschafft, will bleiben ich in Steines Haft. Mein Werk, ich kann's nit lassen gar, und währet's an die tausend Jahr, ich halte meinen Rucken her, zu tragen Chor und Orgel schwer, ein Teil vom Werk, dran ich geschafft mit aller Herz- und Aderkraft. So will ich tragen denn mein Last, dem Werk für all Zeit eingepaßt, will mit ihm, wie da wöll, bestehn, und erst, wann's hinfallt, mitvergehn.

III

Will meinem Werk mittinne sein. Hab drumb gehaun mich in den Stein, auf daß ich hüt so mannig Jahr das Best, so mir zu Lebzeit war, das Werk.

So druckt' ich mich der Kanzel ein, so trag ich hie, kindseelallein, das Chor, das glanzig Orgelspiel und hab darmit der Plag gar viel. Sind mannig nah, wie mir wohl scheint, tun all so fremd, sind nie nit Freund'. Ja, biegt dein Straßen aus der G'mein, dann sorg du nit, bist bald allein. So ging's auch mir als wie im Nu, der Fürhang sank, das Tor fiel zu. Und so ist nit ein Seel bei mir, das Einsamsein erdruckt mich schier. Und doch — wäg ich's ohn Leidenschaft hat auch der Mangel Sinn und Kraft. Denn durch dies einsam Leben ward mir stark und frei mein eigne Art, und wie den Baum der Erdensaft, so speiset mich mein innre Kraft.

IV

Was ich gewerkt, geformet han, war mit der Hand allein nit tan.

Denn was ein Meister schaffen soll, darvon sei z'erst das Herz ihm voll, die Seel ein umgeackert Land, eh er beginnet mit der Hand.

Wie pflüget baß der Ackersmann, bevor sein Saat er säen kann, so muß all auch ein schaffend Herz gepflüget sein von Freud und Schmerz.

Die Freud, o Mensch, die pflüget schwach, das Leid jedoch schneidt tief und jach, und wird mit Herzblut gar gedüngt, so Treid als Werk hochauf sich ringt.

Der Pflüger, so im Himmel wohnt, ich sag's: er hat mein nit geschont, hat all mein Jahr nach seinem Sinn mein Herz gepflüget her und hin.

Der Freudenpflug ging selten her, der Leidenpflug wohl desto mehr.

Zerfleischet hat mir Gott die Brust; doch hat mein Herz auch g'funden Lust, weil's durch die Pein und Leidensstärk ist aufgebrochen in das Werk.

So sei denn all mein Pein und Leid in Herrgott's Namen benedeit!

V

Wohin auch geht des Menschen Schritt, die Sehnsucht, die geht immer mit.

Die, so der Schöpfertrieb nit packt, die träumen gut, doch unserein plackt die schwere Sucht, genugzutun.

Darf Leib und Seel wohl nimmer ruhn, so.einen dieser Stachel sticht,

's ist wie ein Kind, das will an's Licht.

Und wie die Mutter scheut kein Plag, bis sie das Kindel ringt an Tag, so treibet mich der Dämon an, zu werken, bis das Höchst getan.

Und wollet ich auch mannigmal ausbrechen aus der Schöpferqual, ich kann's doch nit, ein Macht und Zwang bindt mich, zu schaffen heiß und drang, reißt mir die Seel schier aus der Brust, bis daß es wird, wie es gemußt, das Werk, der Zwingherr über mir.

Ihm muß ich dienen nach Gebühr, die dunkeln Nacht, die lichten Tag, solang mein Aug hie schauen mag, solang die Seel noch Atem hat. ,

's Ist wahr, Gott gibt dem Meister Gnad; doch streng muß der ihm Zinsen.

VI '

Du weißt, o Herr, wie ich all Zeit gedürstet hab nach Ewigkeit. Nit für der Zeit geringen Tand hab ich gespornet Geist und Hand. Nur, was die ewig Wundermacht in meinem Hirn bewegt, gedacht, solch Wesen hab ich, recht mit Fleiß, ins Werk gesetzet, Dir zum Preis. Hab wohl die Schöpferkraft gespürt, die mir durch Dich die Hand geführt. Denn ohn Dich, Herr, ist nichts nit tan. Du bliesest mich zur Flamme an, Dein Odem war's, der mich durchstieß und mich mein Höchstes schaffen ließ. Itzt steht das Werk, von Dir gedacht, von mir in Demut eingebracht. Und lassest' fürde,- Du bestehn, weiß ich: Nit ganz werd ich vergehn.

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