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Aus Frankreich und den USA

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Das Kleine Theater der Josefstadt im Konzerthaus nimmt seine Aufgabe, Theater in der Retorte zu zeigen, ernst. „Das Ei“ von Felicien M a r e e a u, wach, sensibel betreut durch die Regie Heinrich Schnitzlers, gehört zu einer „Gattung“, wenn man so sagen darf, die heute in Paris auf der Bühne, in Deutschland im Funk sich Geltung verschafft hat. Mit einem Schuß dichterischer Substanz experimentiert der Autor und sieht, kalt und interessiert, zu, was aus seinem Kalkül herauskommt: aus der Mischung von Kabarett, Zeitstudie, lyrischem Monolog, Skizze eines Gesellschafts-dramas, Feuilleton, Entwurf einer neuen Lebensordnung. Manches in den Stücken dieser Art klingt, wie wenn ein“ Mikrophon Fetzen von einem Gespräch zwischen Shaw und Nietzsche irgendwo in einer Zwischenwelt- aufgenommen hätte. Erinnerungen an Lektüren, Gedankenspiele, Momentaufnahmen aus dem Alltag, Widerspruch gegen die Klischees der Politiker und Produktion eigener Schlaeworte ver-binden sich. Auf knappem Raum hier kann nicht versucht werden, den „Inhalt“ des Stückes wiederzugeben. Was auch wenig wichtig ist, da es hier nicht auf stofflichen Inhalt, sondern Gehalt verschiedener Elemente ankommt. Heinz Conrads in der Hauptrolle zeigt überzeugend, wie gut ein vom Kabarett herkommender, intelligenter Schauspieler das Fließende, Webende, Werbende dieser Gattung darzubieten vermag. Die Statik und Statuarik der großen Form der klassischen und nachklassischen Schauspielkunst wären hier auch völlig fehl am Platze. Das Publikum muß allerdings erst seine Sensorien, seine Sinnesorgane entwickeln, um die hier angezeigten Dimensionen aufnehmen zu können. — Neben Conrads fallen Evi Servaes, Elisabeth Stemberger und Louis Soldan auf. Die Requisiten von Hofer-Ach unterstützen klug die Komposition des Autors.

Friedrich Heer

Ein aktuelles, heißes Theaterstück war es einmal, dann ein wirkungsvoller Film mit Humphrey

Bogart — jetzt ist es ein alter Veteran aus der Krisenzeit Amerikas vor 25 Jahren: Robert E. S h e r-woods „Der versteinerte Wald“. Da ist es nun in einer guten, profilierten Inszenierung Edwin Zboneks im „Theater der Courage“. Psychologie und Pulverdampf aus dem vormals wilden, später depressiven Westen, spannendes, vitales Theater mit zarter Poesie im radikalen Kugelregen und plakathafter Sozialkritik am reißerischen Galgenstrick, an dem zu gleichen Teilen die Zivilisation und die Gangster hängen, mit Ibsen und Sigmund Freud in enger Nachbarschaft — mit einem Wort, ein Kassenschlager. Inmitten starker, gutgebauter Szenen und spannender Effekte tummeln sich in trister Atmosphäre ein greiser Pionier, der von dem Glanz der alten „Killer“ schwärmt, dessen Sohn, der den Dollars und patriotischen Vereinen , nachläuft, und dessen Töchterlein, die sonderbare Bilder malt und Fran?ois Villon liest. Ihr zur Freude und zum Schmerz ein Fremder, halb Tramp, halb (Dichter, halb Humanist, halb Zechpreller und als {Draufgabe eine,Gangsterbünde. Man kommt auf seine Kosten. Es spielen Peter Weihs, Henriette Hieß, Karl Augustin, Walter Scheuer, Kurt Mejstrik. In Episoden: Felix Pflichter, Helen Arcon, Kurt So-botka, Karl Spanner, Gustav Dennert, Franz Mößmer, Viktor Kreisl, Gerhard Wilhelm. Ideenreich und interessant das Bühnenbild von Ferdinand Friedl.

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